Human
Standard-Melds kenne ich mich sehr gut aus«, entgegnete die Ärztin mit eisiger Stimme. »Aber du hast recht: Einige dieser Manipulationen sind in der Tat neu für mich.« Dann wandte sie sich erneut an die geduldig wartende Biochirurgin. »Es tut mir leid, Miss Nonyameko. Ich bin bloß ein wenig nervös, das ist alles.«
»Wenn das erst Ihr zweites Meld ist, kann ich das verstehen.« Die kleingewachsene Biochirurgin erhob sich. »Wenn Sie mich bitte begleiten würden, dann könnten wir mit den Vorbereitungen anfangen. Ich möchte Sie beide zu nichts drängen, aber meine Zeit ist begrenzt, da ich heute Nachmittag noch einen Termin habe und ein halbes Dutzend Schauermänner erwarte. Sie wären überrascht, bei wie vielen wichtigen Berufen heutzutage noch Handarbeit und Krafteinsatz gefordert werden.« Ihre Augen strahlten. »Und ich arbeite gern an großen, starken Männern.«
Beinahe hätte Ingrid zu Whispr gesagt: »Damit kann sie dich wohl kaum meinen«, doch obwohl ihr Hang zum Sarkasmus mit jedem Tag größer zu werden schien, behielt sie ihre Gefühle dieses Mal für sich.
Besänftigende Musik begleitete die Verabreichung des Beruhigungsmittels, das die Biochirurgin ausgewählt hatte. Da sie selbst sehr viele Arzneien verabreicht und erst vor Kurzem ihre erste Manipulation durchgestanden hatte, wusste Ingrid, was sie erwartete, als ihr liegender Körper von der Trage gehoben und in dem medizinischen Magnetfeld festgehalten wurde. Trotz ihrer Vorkenntnisse war sie überrascht, wie wenig Zeit die Prozedur in Anspruch nahm. Als sie sich auf der weißen Plattform aus Carbonmetall aufsetzte, musste sie der Biochirurgin widerstrebend Anerkennung für ihre Künste zollen.
»Vielen Dank, meine Liebe.« Nonyameko half ihr vorsichtig in die Erholungskammer. »Ich werde mich jetzt um Ihren Freund kümmern, und dann können wir die Sache zum Abschluss bringen. Es wird nicht lange dauern.«
»Ich weiß. Sie sind schnell, sehr schnell.« Ich hoffe nur, dass Sie nicht schlampig arbeiten, nur um schneller zu sein , dachte sie, sprach es jedoch nicht aus.
Im Erholungsraum erklang sanfte Musik. Als sich Ingrid auf die weich gepolsterte runde Bank in der Mitte setzte, spürte sie, wie sich die frische Synthhaut an einigen Stellen anspannte. Da sie ein wenig Angst hatte, an sich herabzusehen, aktivierte sie die Reflektoren. Selbst durch den feinen therapeutischen Heilungsnebel, der die Kammer erfüllte, konnte sie ihren Körper deutlich erkennen. Sie war schockiert von diesem Anblick. Jemand, der sein ganzes Leben lang ein Meld gewesen war, hätte auf einige wenige, vergleichsweise geringe kosmetische Veränderungen zweifellos nicht so heftig reagiert. Doch Ingrid, für die das Ganze noch relativ neu war, reagierte mit aufgerissenen Augen auf die neue Situation.
Ihre neuen Proportionen waren nicht nur beeindruckend, sondern fast schon furchterregend. Langes rotes Haar fiel ihr fast bis zur Hüfte den Rücken herab. Ihre Augen waren leicht vergrößert worden und blickten jetzt mit einer Verwegenheit drein, die im Kontrast zu ihrem Alter und ihren Erfahrungen stand. Ihre Ohren waren gestutzt worden, und ihre Lippen hatten ihre frühere Form zurück. Rajeev hätte erfreut zur Kenntnis genommen, dass ihre Nase endlich gerichtet worden war. Auch die anderen Anpassungen hätten ihm gewiss gut gefallen.
Sie war schon immer attraktiv gewesen. Jetzt war sie, zumindest nach älteren und irgendwie auch historischen Maßstäben, wunderschön. Obwohl sie die kleinen Unvollkommenheiten, die eine sichtbare Erinnerung an ihre Individualität darstellten, immer gemocht hatte, würde sie zumindest in nächster Zeit ohne sie auskommen müssen.
Als sie das studierte, was sie jetzt ausmachte, wurde ihr bewusst, dass sie ihr Erscheinungsbild noch weiter aufpeppen und modernisieren konnte, indem sie sich die neuesten gengenieurten Kosmetikerrungenschaften zunutze machte wie funkelnde Augen, Flammen abfeuernde Ohrläppchen oder funkensprühende Fingerspitzen. Indem sie ihre Größe oder ihre Hautfarbe veränderte oder Gliedmaßen (oder auch andere Körperteile) hinzufügte, konnte sie ihr Erscheinungsbild völlig ändern, doch dazu war sie noch nicht bereit. Nichtmental, und auch nicht emotional, und außerdem hatten sie auch gar nicht die Zeit dafür. Aber sie konnte nicht leugnen, dass sie diese Vorstellung durchaus verlockend fand.
Aber sie musste vorsichtig sein. Meld-Sucht war ein weitverbreiteter und gut dokumentierter psychologischer
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