Human
konnte keine Träume lesen.
»Ist alles okay, Doc?«
»Was?« Erschreckt von der plötzlichen Frage nach einer Stunde gegenseitigen Schweigens, sah sie abrupt auf.
Er zog die Augenbrauen zusammen. »Ich habe gefragt, ob alles okay ist.«
»Mir geht es gut. Wieso sollte es mir auch nicht gut gehen? Warum fragst du so etwas?«
»Hey, ich habe nur meine Sorge zum Ausdruck gebracht«, erwiderte er und hob abwehrend die Hände. »Bleib locker.«
Sie wandte sich ab. Ja, ich sollte wirklich lieber locker bleiben , dachte sie wütend. Ansonsten würde das eine sehr lange Reise, auf der sie vermutlich früher zusammenbrechen würde als ihr Mietfahrzeug.
»Hast du alles?« Als sie an der Tür stand und ihre Reisetasche umklammerte, warf sie einen letzten Blick in den unansehnlichen Raum.
Er stand dicht neben ihr. Es machte sie noch immer ein wenig nervös, ihn derart in ihrer Nähe zu haben und dass er sie so überragte, aber da sie keinen guten Grund hatte, sich deswegen zu beschweren, behielt sie ihr Unbehagen lieber für sich. Er achtete sorgsam darauf, sie nicht zu berühren und auch sonst keinen Körperkontakt herzustellen. Die Lektion aus Savannah hatte er gut gelernt.
»Dann lass uns aufbrechen.« Er lächelte, doch das Lächeln galt weder ihr noch dem Raum, er dachte vielmehr an Bilder, die er seit seiner Kindheit mit sich herumtrug. »Lass uns Tourist spielen.«
Als sich die automatische Tür hinter ihnen geschlossen hatte und sie über den Flur gingen, schüttelte sie den Kopf. »Wir vergeuden nur Zeit.« Er wollte schon protestieren, aber sie hob eine Hand. »Ich weiß, ich weiß … Ich hab es versprochen. Zuerst die Tiere, dann das Forschungszentrum. Aber das ist nicht notwendig. Außer ein paar einheimischen Gaunern, die nur ihre eigenen Interessen im Sinn haben, wird niemand in unsere Nähe kommen.«
Nickend ging er neben ihr den schmalen Gang hinunter und passte seine Schritte an die ihren an, damit sie nicht schneller gehen musste, um mit ihm mitzuhalten.
»Manch einer würde das als Bestätigung dafür ansehen, dass wir das Richtige tun.«
Das brachte ihm einen zynischen Blick von ihr ein. »Wie kann es das Richtige sein, eine Woche zu verschwenden, indem wir Antilopen und Elefanten anstarren?«
»Für mich ist es das Richtige«, meinte er grober als beabsichtigt. »Wenn nichts auf diesem blöden Faden ist und sich seine vermeintlich einzigartige Zusammensetzung als Fälschung herausstellt, dann habe ich wenigstens etwas von dieser Reise gehabt. Allerdings bin ich froh, dass du so zuversichtlich bist. Bleib ruhig weiterhin so entspannt.« Er blickte nach vorn und suchte den Korridor vor ihnen ab. »Ich werde paranoid genug für uns beide bleiben.«
9
Molé stand vor dem einfachen Hotel, das typisch war für die Orte, an denen sich seine überraschend bewegliche Beute üblicherweise aufhielt. War den beiden nicht bewusst, dass er inzwischen längst ein Profil von ihnen erstellt hatte? Eine solche Wiederholung war das Kennzeichen für Amateure. Diese Erkenntnis bewirkte, dass er sich gleich ein wenig besser fühlte und seine Frustration teilweise verschwand. Er war ihnen jetzt ganz nahe und freute sich mehr als jemals zuvor auf das unausweichliche Wiedersehen mit der guten Ärztin und dem bösen Kleinkriminellen.
Die anscheinend grenzenlosen Verzögerungen hatten ihm genug Zeit gelassen, um gründlich nachzudenken. Er hatte sich überlegt, was er tun würde, wenn er ihnen erneut gegenüberstand. Ihre kostspieligen und zeitraubenden Fluchtversuche mussten bestraft werden. Aus diesem Grund hatte er vor, ihr Ableben etwas länger hinauszuzögern, als er es üblicherweise tat. Den armseligen Meld würde er stückweise belehren. Bei der Ärztin wollte er dagegen ein wenig länger verweilen, denn das würde ihm viel mehr Spaß machen. Unter anderem aus dem Grund, da er selbst ebenfalls am Aufbau des menschlichen Körpers interessiert war, und das nicht nur, weil er eine ganze Reihe radikaler Melds besaß, die ihn so stark verändert hatten, dass man nur noch schwer sagen konnte, was von ihm menschlich geblieben war und wie viel jetzt aus angepassten synthetischen Erweiterungen bestand. Die Bilder, die diese Gedanken in ihm hervorriefen, gefielenihm. Ja, er würde sich ausgiebig mit der Ärztin unterhalten. Der Mann konnte zusehen und zuhören, falls Molé ihm gestatten würde, die dafür notwendigen organischen Komponenten solange zu behalten.
Wie es bei solchen Mittelklasseabsteigen üblich war,
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