Human
war die Rezeption mit einem menschlichen Mitarbeiter besetzt. Zu dieser nachmittäglichen Stunde hielt sich sonst niemand in der Lobby auf. Die Touristen waren unterwegs, um sich die Sehenswürdigkeiten anzusehen, und die Geschäftsreisenden beklagten ihr jeweiliges erbärmliches Schicksal. Rauch stieg von der Spitze eines Simstäbchens auf, das der Rezeptionist zwischen seine Lippen gesteckt hatte, während er mit einem projizierten Kriegsspiel beschäftigt war, das auf alten hiesigen Geschichten beruhte. Auf dem Boxbildschirm wurden in rascher Abfolge statistische Angaben eingeblendet, neben denen miniaturisierte afrikanische Krieger und britische Soldaten früherer Zeit in der Luft kämpften. Obwohl der Ton heruntergedreht war, konnte man ihre Schreie und Schlachtrufe deutlich hören. Der in das Spiel versunkene Rezeptionist war ganz offensichtlich mit Eifer bei der Sache.
Molé trat näher und ignorierte die Speere, Knüppel und Bajonette, die kurz auf ihn gerichtet wurden. Ein leises, aber forderndes Husten konnte die Aufmerksamkeit des Rezeptionisten nicht auf sich ziehen, der den älteren Mann, der nun vor dem Tresen stand, weiterhin ignorierte. Nachdem er ein weiteres Mal gehustet und eine Wolke aus Zulus und Rauch weggewedelt hatte, sprach Molé den Mann so laut an, dass er ihn trotz des martialischen Lärms des Spiels hören musste.
»Entschuldigen Sie?«
Der Rezeptionist sah nicht einmal von seinem Spiel auf.
Also zog Molé seine Kommunikationseinheit aus der Tasche und aktivierte sie. Zwei lebensgroße dreidimensionaleBilder erschienen in der Luft zwischen ihm und dem Tresen, begleitet von den jeweiligen Porträts. Die Porträts wurden entsprechend der Drehung der Bilder angepasst und stellten das aktuelle Aussehen des gesuchten Paares dar, so gut es Molés Quellen herausgefunden hatten. Das schwebende Bild interagierte nicht mit den Projektionen des Spiels, überlappte sie aber teilweise.
»Entschuldigung, ich muss unbedingt wissen, ob Sie diese beiden Namerikaner gesehen haben.«
Endlich reagierte der Rezeptionist und machte sich nicht die Mühe, seine Verärgerung über die andauernde Störung zu verhehlen, indem er Molé mit unverhohlener Abneigung und offensichtlicher Verachtung anblickte.
»Yebo, die hab ich gesehen, alter Mann.« Während er sprach, bewegte sich das Simstäbchen, das noch immer in seinem Mund hing, munter auf und ab.
In dem Jäger regte sich etwas. »Sind Sie sicher?« Die beiläufige Bemerkung hinsichtlich seines Alters hatte er durchaus vermerkt.
Der Rezeptionist schien etwa Mitte zwanzig zu sein. Er wirkte selbstsicher und apathisch, und es war offensichtlich, dass er letzten Endes nur auf den älteren Besucher reagiert hatte, weil er hoffte, ihn schnellstmöglich wieder loszuwerden. Rings um ihn herum waren die fehlerlosen Darstellungen afrikanischer Krieger, zäher Buren und der Soldaten ihrer Majestät aus dem 19. Jahrhundert zu sehen, die im kybernetischen Limbo darauf warteten, dass ihr Meister weitere Befehle eingab. Entsprechend ihrer Programmierung steckten sich einige Soldaten als zynische Imitation des Spielenden, der ihre höchst vergängliche Existenz steuerte, Zigaretten an. In modernen Spielen waren Untätigkeit und Stillstand nicht unbedingt dasselbe.
»Natürlich bin ich mir sicher«, entgegnete der junge Mann und runzelte die Stirn. »Glauben Sie etwa, ich wäre ebenso senil wie Sie?«
Molé legte diese Bemerkung als Fußnote neben dem Kommentar über sein Alter ab. »Nein, das denke ich nicht. Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
Der jüngere Mann zuckte gleichgültig mit den Achseln. Solche Unterbrechungen konnte er nicht gebrauchen. Seine Spielzeit war ihm wichtig. Man wusste ja nicht, wann es zu einer wichtigen Unterbrechung kam, beispielsweise weil ein Gast eintraf oder sogar der Manager auftauchte.
»Warum sollte ich Ihnen irgendwas erzählen, alter Mann?« Er musterte sein Gegenüber von oben bis unten und war offenkundig nicht beeindruckt. »Sie sehen nicht aus, als wären Sie von der Polizei. Sie wirken nicht mal wie ein Privatdetektiv. Sie sehen einfach nur … alt aus.«
»Ja, ich bin alt«, gab Molé bereitwillig zu. »Aber ich bin nicht zu alt.«
Der Angestellte runzelte die Stirn. Er mochte Rätsel, selbst wenn sie aus einer unerwarteten Quelle kamen. »›Nicht zu alt‹ wofür?«
Weder Molés Gesichtsausdruck noch sein Tonfall veränderten sich. »Das werden Sie bald herausfinden, wenn Sie mir nicht sagen, wann Sie die
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