Hummeldumm
Papierkram wegen Rückführung der Wassermelone, und dann hatte ich ja auch zu Hause gar nichts vorbereitet für meinen Tod, ich wusste ja nicht mal mehr, wo genau meine Lebensversicherung abgeheftet war und ob Sina überhaupt etwas davon hätte, wo wir doch gar nicht verheiratet waren. Wir mussten also ohnehin erst heiraten, bevor ich sprang, und so wie ich Sina kannte, würde sie das dann auch wieder nicht besonders fair finden, also heiraten und dann gleich sterben. Der Vorteil eines schnellen Sprungs wäre freilich, dass sich mit einem Schlag das Wohnungsthema erledigen würde. Der Nachteil wäre, dass ich tot sein würde, und das war mir dann natürlich auch nicht wirklich recht, mal abgesehen davon, dass weder ich noch Sina Blut sehen konnten.
»Matze!«, rief Bahee mir zu, »geh da mal nicht so nah ran!«
»Ja!«, schrie ich, trat einen Schritt vom Abgrund zurück und knirschte mich meiner ahnungslosen Reisegruppe entgegen.
16
Zwei Stunden später rumpelten wir wieder über die Päd, wie man die Schotterpiste hier nannte, und zogen auf dem Weg zur nächsten Lodge eine beachtliche Wolke aus Staub hinter uns her. Meine Freundin klebte natürlich wieder neben dem bräsigen Schnabel. Ich selbst war inzwischen fester Bestandteil der Loser-Reihe und saß alleine neben Seppelpeter, der schlafend vor sich hinröchelte.
Schnurgerade verlief der Weg und verschmolz weit in der Ferne mit dem kräftigen Blau eines nunmehr wolkenlosen Himmels. Langsam, so glaubte ich, bekam ich ein Gefühl für die Größe dieses Landes. Hin und wieder standen wilde Tiere zwischen den Büschen und beobachteten gelangweilt unsere Vorbeifahrt. Und noch etwas geschah: Mit jedem Kilometer, den wir durch diese imposante Landschaft fuhren, kam mir mein Streit mit Sina lächerlicher vor. Um was ging es denn? Es ging um Schuhe und dass Sina mit Schnabel redete. Es war lächerlich. Ich würde jetzt einfach die Sache mit der Überweisung in Ordnung bringen und mich entspannen, dann würden sich unsere Spannungen von alleine lösen.
Schon ein wenig beruhigter schaute ich auf die Telegraphenmasten, die parallel zur Piste verliefen. Wir würden früh ankommen auf der Lodge, und wenn sich das Schicksal nicht komplett gegen mich verschworen hatte, dann konnte ich endlich mit Herrn Pfingst selber telefonieren, den Triathleten zu einem guten Stück Fleisch überreden und mich bei einem südafrikanischen Rotwein mit Sina aussöhnen.
Als der Wegweiser der letzten Lodge vor der Wüste zu sehen war und ich die ersten Umrisse unseres Quartiers ausmachen konnte, bemerkte ich, dass die Telegraphenmasten am Straßenrand gar keine Kabel mehr führten. Mein Herzschlag beschleunigte sich. »Bahee?«, rief ich nach vorne, woraufhin dieser mich im Rückspiegel suchte. »Eh?«
»Was ist denn mit den Kabeln da?«
»Was denn für Kabeln da?«, sprach Bahee für alle hörbar in sein Headset.
»Die an den Masten. Die fürs Telefon.«
Bahee ging vom Gas und blickte ebenfalls nach draußen auf die Telegraphenmasten. Dann verstand er, was ich meinte.
»Oh ja ... Das kann sein, dass sich da jemand wieder ein bikkie Kupfer gemopst hat, ne. Das dauert dann immer wochenlang, bis die wieder ein ordentliches Telefon haben da. Die sind bekloppt, und wenn du mich mal fragst, ne, die machen ihr eigenes Land kaputt!«
Apathisch blickte ich auf die schnurlosen Telegraphenmasten. Wir fuhren in eine Lodge ohne Telefonverbindung! Wenigstens lag neben mir noch der Reiseadapter der Gruberin. Damit würde ich mein Handy laden, und vielleicht gab es ja ein Netz, wenn ich nur hoch genug auf einen der Berge stieg. Ich atmete ein, und ich atmete aus.
Die Canyon Village Lodge befand sich tatsächlich am Fuße eines Berges und bestand aus einem großen strohbedeckten Haupthaus, um das sich bogenförmig ein gutes Dutzend gemauerter Häuschen gruppierte. Alles in allem wirkte das Ensemble wie eine Westernfilmkulisse, und es hätte mich nicht gewundert, wenn plötzlich ein Cowboy durchs Fenster gekracht wäre, gefolgt von einem wilden Schusswechsel. Bahee parkte den Bus, und als Erster sprang Breitling hinaus, um sich seine Zigarette anzuzünden.
»Ja, leck mich am Arsch, ist das kalt!«, rief er und schüttelte sich.
Ich ging zu meiner Freundin und umarmte sie sachte. Ebenso hätte ich allerdings einen der Telegraphenmasten umarmen können.
»Alles gut?«, fragte ich zaghaft. »Geht so«, antwortete sie kühl. »Nur >geht so« »Ja. Nur >geht so<.«
Steif trat Sina einen
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