Hummeldumm
drei Hunderter.
»Wohin seid ihr auf Päd?« »Auf was?«, fragte ich zurück. »Wohin ihr dallat?« »Dauert?« »Welche Lodge?«
»Ach so. Also, das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, ich bin mit einer Gruppe hier.«
Der Apotheker zog die Stirn kraus und blickte an mir vorbei nach draußen an den Bus.
»Jenne, mit diesen Oukies trävellst du?«
Ich nickte, blickte zu Boden vor Scham und bekam einen Hunderter zurück samt einer kleinen Papiertüte mit meinen Einkäufen.
»Zweihundert sind oreit!« »Sind was?« »Allright!« »Ahh ...«
Erst jetzt bemerkte ich ein Telefon auf dem Verkaufstresen. Das Tastenfeld war aus durchsichtigem Kunststoff, der Apparat selbst in einem glänzenden Schwarz. Er war wunderschön. Da meine Reisegruppe noch immer recht beschäftigt schien, fragte ich den Apotheker, ob ich gegen Gebühr kurz die Sparkasse Euskirchen anrufen dürfte.
»Das jobt nich, das kann ich nich mooi abrechnen.« »Es macht was nicht?« »Jobt nich ... geht nicht!«
Verschwörerisch beugte ich mich über den Tresen.
»Es ist echt wichtig für mich. Wenn ich nicht telefonieren kann, dann ist unsere Traumwohnung weg! Also ... falls sie nicht schon weg ist!«
»Sorry, aber deswegen kann ich's auch nich mooi abrechnen.« »Zweihundert Dollar!«
»Jobt nich, sorry!«
»Dreihundert? Oder ich ... ich telefonier einfach, und Sie tun so, als wenn Sie mich gar nicht sehen?«
»Oukie, check, ich hab miskien einen lustigen Akzent für dich, aber deswegen bin ich noch lange kein Dummkopp!«
»Natürlich nicht, Entschuldigung.«
Enttäuscht verließ ich die Apotheke, und als ich Sina mit einer Wasserflasche auf den Stufen sitzen sah, nahm ich neben ihr Platz. »Na? Alles bekommen?«, fragte sie mich. »Nein. Der Dummkopf hat mich nicht telefonieren lassen!« »Mit wem wolltest du denn telefonieren?« Mist. Mitten reingetappt in die Falle. »Na, hier ... mit dem Büro!«
»Ach jetzt hör aber auf, Matze! Was is wirklich los?«
»Ja ... das! Ich ... also, die machen halt Stress einfach!«
Sinas skeptischer Blick verriet mir, dass ich schon bessere Notlügen fabriziert hatte. Wenigstens hatte ich meine Einkäufe in der Apotheke vergessen, das würde mir Bedenkzeit verschaffen.
»Ahh ... ich Idiot, meine Sachen!«, sagte ich, stand auf und sprang die Treppe hoch. Ich riss die Tür auf, und schon stand ich wieder am Tresen.
»Keine Angst, ich will nicht telefonieren, aber ... haben Sie Internet?«
»Is bleddie langsam, aber wir nennen es trotzdem so.« »Super. Könnte ich es kurz benutzen?« »Sorry, aber ich darf keine customers nach hinten lassen!« »Dann ... könnten Sie vielleicht was nachschauen für mich?« »Was denn?«
»Ne Wohnung bei Immobilienscout. Ich muss wissen, ob die noch im Netz ist.«
»Versteh ich nich, kann ich aber machen.« »Danke!«
Ich schrieb die Adresse von Immoscout auf einen Zettel und die ID, die ich glücklicherweise auswendig wusste, weil ich sie zwei Dutzend Mal selbst eingegeben hatte. Skeptisch schlurfte der Apotheker damit in sein Hinterzimmer. Von draußen hörte ich Bahees Hupe, dann ging die Tür auf, und Sina schaute fragend herein.
»Matze? Die wollen weiter!«
»Ich komm gleich raus, ja?«, flüsterte ich.
»Das erklärst du den anderen dann aber bitte selber, warum sie warten, okay?«
»Klar! Aber ... Sina? Du ... wollen wir uns nicht wieder zusammensetzen für den Rest der Fahrt?«
Sina brauchte ein wenig mit der Antwort. »Ich unterhalte mich nur gerade mit Kevin, und wir sind mitten drin.«
»Mitten in was?«
»In einem Gespräch natürlich!«
»Ihr seid in einem Gespräch?«
»Genau. Gespräch! Das ist das, was wir beide nicht haben!«
Genervt ließ Sina die Ladentür zufallen, und durch die Schaufensterscheibe sah ich, wie sie in den Bus stieg, der mit laufendem Motor wartete. Der Apotheker kam beeindruckt zurück.
»Das ist ja eine schmaate Wohnung! Auch mit der halboffenen Küche und der Terrasse mit Rheinview und so.«
Ich bekam den Mund nicht zu.
»Sie haben sie gesehen? Ich meine, da stand nicht: >Verkaufsstand reservier< oder so?«
»Nee, das stand da nicht drin. Nett von wegen Kamin und so, echt bleddie nice! Also wenn ich zurückmüsste nach Gerryland, dann würde ich mir auch son piek kriegen.«
»Gerryland?«
»Deutschland!«
Ich entriss dem Apotheker den Zettel, und wie unter Schock griff ich nach meiner kleinen, weißen Tüte mit den Tampons und dem Vitamin K. »Dieses verlogene Dreckstück«, zischte ich, »erzählt mir, dass
Weitere Kostenlose Bücher