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Hummeldumm

Hummeldumm

Titel: Hummeldumm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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schwer. Ich blickte in erleichterte Gesichter.
    »Aber wisst ihr, was echt ... was echt bitter ist für mich?« »Was?«, fragte Sina und strich mir vorsichtig über die Haare. »Dass mir ein Arschloch das Leben gerettet hat!«
     

29
    Man behandelte mich nun mit respektvoller Vorsicht, so wie man eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg behandelt, zu deren Entschärfung noch die notwendigen Spezialisten fehlen. Immerhin - und das allein schien ein Fortschritt - nahm ich nun einfach nur zur Kenntnis, dass alles immer verwirrender wurde, und platzierte mich für die Fahrt nach Swakopmund zum ersten Mal freiwillig auf Seppelpeters Rückbank. Im Gegensatz zuTrixi, die mir noch vor der Abfahrt mehrere Male gesteckt hatte, wie charakterlich schwach es war, den armen Kevin zu schubsen, begnügte der alte Franke sich mit dem Ratschlag, ich solle mich was schämen. Am meisten erstaunte mich allerdings Schnabel: Der schien sich über gar nichts zu wundern, und entweder hatten ihn schon in der FDJ die anderen kleinen Triathleten dermaßen aufgezogen, dass er das hier alles normal fand, oder er hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen wegen Sina.
    Die sprach zwar nicht mit mir, sorgte sich aber trotzdem. Sie hatte nichts mit Schnabel, aber er hatte meine Sonnencreme. Die Reise? Sie würde zwangsläufig irgendwann enden. Die neue Wohnung? Was für ein Witz! Nicht mit Sina sprechen konnte ich auch in der alten Wohnung.
    Bemerkenswert fand ich allerdings, dass mein Körper auf der Düne das erste Mal von ganz alleine die Flucht angetreten hatte; offenbar war nun sogar er sauer auf mich. Und dennoch: Trotz meiner zerklumpten Stimmung kämpfte sich ein zarter Trieb der Freude durch die harte Kruste aus trüben Gedanken. Ja, ich freute mich ein bisschen auf Swakopmund und die Freiheit, die sie bringen würde, denn dort in der Stadt würde es Geschäfte geben, Bars, Internetcafes und einen großen Strand mit frischer Seeluft. In einer Stadt konnte ich machen, was ich wollte.
    »Swakopmund«, so knatterte Bahee durch die Deckenlautsprecher, »da sagen die Leute, das ist die deutscheste aller namibischen Städte, ne!«
    »Na, herzlichen Glückwunsch«, kommentierte Speckhut zynisch.
    »Du bist neidisch, weil ihr nie ne Kolonie hattet, oder?«, grinste Breitling.
    »Mir hatten scho eine!«, konterte Speckhut. Breitling grinste. »Stimmt! Den Wiener Wald in Düsseldorf! Ha!«
    »Mosambik!«, knautschte Speckhut verschnupft zurück. »Unsere Kolonie war in Mosambik!« »Ach komm, hör auf!«
    Trixi hatte ihr Notizbuch geöffnet und eine weitere Frage.
    »Und ... wie viel Deutsche wohnen jetzt noch hier?«
    »Na, also Deutsche direkt so sagt man nicht, ne, aber so jeder Fünfte ist da deutschstämmig, also von die Wurzeln mal her. Die haben auch Karneval und Bratwürste und Schwarzwälder Kirschtorte und so.«
    »Und ... essen wir eigentlich auch mal afrikanisch?«, fragte Trixi neugierig.
    »Was ist denn afrikanisch für dich?«, hakte Bahee nach.
    »Och, ich weiß das gar nicht ... aber Bratwürste halt nicht!«
    »Da siehst du mal, Trixi, das ist deine Fehler dann mal hier im Kopf. In Namibia, Bratwürste sind ziemlich afrikanisch!«
    Trixis Blick ruhte noch mehrere Sekunden auf Bahee, doch es kam nichts mehr. Unschlüssig, ob sie etwas in ihr Notizbuch schreiben sollte oder besser nicht, klappte sie es schließlich zu.
    Entlang einer gigantischen Pipeline ging die Fahrt hinab zur Küste. Immer grauer und unwirtlicher wurde die Umgebung und immer fahler der Sand; und erst als ich schließlich glaubte, irgendwo in Russland zu sein, da tat sich in der Frontscheibe unseres Toyota Quantum der tiefblaue Atlantik auf mit einem überraschend hübschen, bunten Städtchen davor. Ich staunte nicht schlecht, als wir hineinfuhren, denn man meinte nicht, dass die Zeit der deutschen Kolonialisten schon vor einem guten Jahrhundert abgelaufen war. Wir passierten ein Cafe namens »Treffpunkt«, eine Einkaufspassage namens »Ankerplatz« und das »Bismarck Medical Center«.
    »Wenn du mal eine Arzt hier sehen willst, Matze!«, krächzte Bahee aus den Lautsprechern und deutete auf den Haupteingang. Ich wollte nicht.
     
    Wir checkten im Hansa-Hotel ein, einem unspektakulären, grauen Flachbau, der so aussah, als hätten ihn DDR-Architekten im Rotkäppchenrausch errichtet. Wie ich bereits vermutet hatte, wurde mir ein Einzelzimmer zugeteilt. Ich glaube auch, dass Sina mich hoffnungsvoll angeschaut hat, als ich stumm nach meinem Zimmerschlüssel griff,

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