Hummeldumm
allerdings vermied ich es, sie anzusehen, sie konnte sich ja melden, wenn sie wieder Lust hatte, mit mir zu sprechen. Als ich mich schließlich aufmachte, die Treppe zu meinem Zimmer hochzusteigen, da hoffte ich kurz, Sina würde mir folgen, doch trat ein jeder meiner einsamen Schritte diese Hoffnung platter, bis sie sich auflöste.
Mein Einzelzimmer wirkte trotz der hässlichen Vorhänge und altmodischen Lampen recht gemütlich, es gab sogar eine Minibar, doch trinken wollte ich in diesem Zimmer nichts. Mit einem Whisky in der Hand auf die gelbe Tapete des düsteren Zimmers starrend, hätte ich mich nur gefühlt wie ein alleinstehender, suizidaler Handelsvertreter nach einer Woche ohne Abschluss. Ich musste raus aus dem Hotel und rein in die Stadt, und zwar so schnell wie möglich. Vorsichtig schlüpfte ich in eine frische Hose und knöpfte ein sauberes Hemd zu. Ich schloss die Zimmertür hinter mir, trat schließlich vor das Hotel, und dann ... ging ich einfach los.
Es war ziemlich frisch und windig, viel frischer als bisher in Namibia. Die Straßen, durch die ich lief, wirkten auf eine seltsame Art und Weise unwirklich. Hatte ich auf den ersten Metern wegen der kulissenhaften Holzhäuser noch den Eindruck, durch eine amerikanische Kleinstadt zu schlendern, so wähnte ich mich bereits eine Ecke weiter in einem norddeutschen Seebad. Es gab eine Fußgängerzone, allerdings ohne Panfiötenspieler, es gab ein Brauhaus mit dem Slogan >Hopfen und Malz, Gott erhalt's!< ebenso wie die Swakopmunder Fleischerei samt Imbiss mit Leberkäse. Da ich seit Ewigkeiten nichts gegessen hatte, ging ich hinein und orderte einen original afrikanischen Leberkäse mit Bratkartoffeln, den ich an einem Stehtisch geradezu in mich hineinschlang.
In einer Shopping-Mall stand ich dann plötzlich vor einem Internetcafe. >12 Namibische Dollar für 30 Minuten<, hieß es an der Tür. Vorgestern noch hätte ich 1200 Dollar für drei Minuten bezahlt. Ich drückte meine Nase ans Fenster, und schließlich ging ich doch hinein und kaufte eine halbe Stunde. Als ich jedoch vor dem Bildschirm saß, fiel mir nichts ein, was ich im Internet hätte machen können, und die Wohnung hatte ich ja schon abgesagt. War das nun gut oder schlecht? Ich wusste es nicht mehr. Also trank ich einfach nur meinen Kaffee und starrte auf die bunten Desktop-Symbole. Schließlich fiel mir doch noch was ein, also öffnete ich den Browser und googelte »Österreichische Kolonien«. Es gab tatsächlich eine: 1877 erwarb Österreich von einem afrikanischen Häuptling einen Hafen in Mosambik, besetzte ihn mit zehn Mann und erklärte ihn zur Kolonie. Keine vier Jahre später ging die Bucht samt Hafen an Portugal verloren. Das war's. Respekt!
In der Adler-Apotheke kaufte ich eine große Tube Wund- und Heilsalbe, wobei ich auf Deutsch bedient wurde. Ich fragte mich, ob es sich gehörte, im tiefsten Afrika eine Wundsalbe auf Deutsch zu kaufen oder ob das schon sprachlicher Neokolonialismus war. Wie sahen die Namibier das denn eigentlich, und waren die Leute in der Apotheke überhaupt noch Deutsche oder schon Namibier, und wenn ja, warum sprach der weiße Apotheker in Keetmanshoop so komisch und der schwarze hier ohne jeglichen Akzent? Meine Verwirrung war komplett, als im EuroSpar eine weiße, deutsch aussehende Supermarktangestellte kein einziges Wort meiner Frage »Entschuldigung, wo stehen denn hier die Getränke?« verstand. Erst als ich die Frage auf Englisch wiederholte, führte sie mich zu den riesigen Kühltheken, wo es fast jede erdenkliche Biersorte gab, von Erdinger Weizen über Becks bis hin zum südafrikanischen Tafel Lager. Ich kaufte eine Dose Red Bull.
Kurz darauf erreichte ich den Strand, wo ein rotweißer Leuchtturm das trügerische Bild eines norddeutschen Seebades komplettierte. Seltsam waren lediglich die Palmen. Oder war doch der Leuchtturm seltsam? Passten die Palmen nun nicht zum Leuchtturm oder der Leuchtturm nicht zu den Palmen? Ich wünschte mir Bahee herbei, der vermutlich grinsend gesagt hätte: >DU passt mal nicht hierher, ne, weil du dir mehr Kopf machst als alle Leute hier mal zusammen! <
Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken und zog meine Schuhe aus, um den Strandspaziergang barfuß fortzusetzen. Ich zog sie schnell wieder an, denn der Sand war viel zu kalt. Trotz des blauen Himmels und der 17 Grad, die ich auf einer Anzeigetafel in der Stadt gesehen hatte, schien dies nicht wirklich ein Badestrand zu sein, und dementsprechend unbevölkert war er
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