Hummeldumm
Lautsprecher.
»Und in Österreich!«, ergänzte Speckhut aus Reihe zwei. »Ja genau«, entgegnete Bahee gewohnt gutgelaunt, »die Österreicher kriegen natürlich auch mal super Fotos!«
Kurz darauf stoppte der Bus auf einem großen Parkplatz vor einer im Morgenlicht glimmenden Düne. Ich sprang als Erster aus dem Bus, riss die Schiebetür auf, und als Sina ausgestiegen war, stellte ich mich zu ihr, meine Hände auf ihren Schultern.
»Sina, bitte! Es tut mir leid!«, begann ich, aber weiter kam ich gar nicht, da hatte ich auch schon wieder Luft unter den Händen statt Schultern.
»Nein, Matze, jetzt wartest DU mal!«, fuhr sie mich an und drehte sich weg.
Die Gesichter meiner Mitreisenden verrieten mir, dass es sich nicht nur für mich so anhörte, als würde ein Gespräch in diesem Augenblick keinen Sinn machen. Trixi schüttelte mit krausgezogener Stirn ihren weißen Kopf, Breitling mahnte mit flacher Hand zur Ruhe, und Bahee legte gar den Arm um mich.
»Auf was soll ich denn warten?«, fragte ich ihn.
»Matze, schau mal: Das, was da so schön am Glühen is und rechts noch ganz schwarz, das ist der Big Mama!«
»Ja und?«, fragte ich irritiert.
»Ja, da latschen wir jetzt ma hoch, das entspannt! Okay?«
»No!«, sagte ich und weiß bis heute nicht, warum, dann begannen wir den Aufstieg.
»Und wir müssen die Lokomotive da mal einholen, den Pepi und die Kevin!«, feuerte Bahee mich an. Doch mich interessierte eher der hintere Teil der Gruppe, in dem auch Sina war. Ich musste einfach mit ihr sprechen! Verunsichert blickte ich zurück, dann rief ich:
»Siiiina?«
Ein wenig verängstigt hob Sina den Blick.
»Hast du nicht noch meine Sonnencreme?«
Sie reagierte nicht, obwohl ich deutlich zu hören gewesen sein musste, denn nun zog Bahee wieder an meinem Sweatshirt. »Der bringt jetzt nix, Matze!«
Ich gab dennoch nicht auf.
»Du weißt schon, die Lancaster Sun Sport mit Multi Protection!«, rief ich, und nur Sekunden später bekam ich meine orange Tube Lancaster Sun Sport mit Multi Protection. Und zwar von Schnabel.
»DU hast meine Sonnencreme?«, stotterte ich.
»No!«
Sprach's und lief allen davon. Entgeistert präsentierte ich Bahee die Creme.
»Komm, Junge«, sagte er beschwichtigend, »hier mal weiterlaufen, ne!«
Ich steckte all meine Wut in die Besteigung von Big Mama. Als Erstes zog ich an Seppelpeter vorbei, der in seinem grünkarierten Wanderhemd verwundert Platz machte. Dann passierte ich Professor Speckhut, der es sich trotz meines angespannten Gesichtsausdrucks nicht nehmen ließ, mir einen Kalauer zwischen die Beine zu kloppen.
»Wos is des, Matze, wenn i a türkisches Fladenbrot hier in den Sand leg?«
»Düne Kebab!«, kloppte ich trocken zurück, vernahm ein respektvolles »Richtig!« und ließ auch ihn hinter mir. Mein Atem ging schwer inzwischen, das Laufen im Sand war alles andere als einfach, rutschte man doch mit jedem Schritt wieder ein Stück in die Richtung, aus der man gekommen war.
»Nicht auf die Grat latschen!«, hörte ich Bahee von hinten rufen, was eine recht nutzlose Warnung war, da ich gar nicht wusste, was ein Grat sein sollte. Ich wollte einfach nur laufen.
Ich blickte nicht nach unten, ich blickte nur nach vorne, und dort gab es jetzt nur noch Schnabel, und nach Schnabel gab es nur noch das Dünenmeer und dahinter: das Ende der Welt.
Schnell hatte ich zu Schnabel aufgeschlossen, der in seiner engen Gore-Tex-Wanderhose mit nahezu provozierender Leichtigkeit einen Schritt vor den anderen setzte. Was für ein jämmerlicher Klischeeclown dieser Kerl doch war mit seiner Hightech-Jacke und der riesigen Ray Ban auf der gebräunten Glatze. Sollte er doch verrecken an einer Überdosis Anabolika oder erschlagen werden von seinen mitgebrachten Gewichten. Noch ein paar Meter nur, dann hatte ich den Proteinprimaten erreicht, und dann würde ich trotz schmerzender Sacknaht an ihm vorbeiziehen, und dann würden wir ja sehen, wer als Erster durchs Ziel geht und wer als 1011.! Ha! Noch zwei, drei Schritte vielleicht, dann würde ich ihn aus meinem Leben drücken, und nichts mehr würde den Weg zum Gipfel versperren, und dann würde auch Sina sehen, jaaaa, selbst Sina würde sehen, dass sie einen echten Mann zum Freund hat.
Wir hatten uns bereits eine ordentliche Höhe erkämpft, gute zweihundert Meter musste es nach unten gehen. Zu meiner Linken lag der Parkplatz mit den nunmehr winzigen Bussen, rechts unten erstreckte sich eine ausgetrocknete weiße Senke mit
Weitere Kostenlose Bücher