Hummeldumm
nicht so mit Innehalten und Gezeugs hatte. Höflichkeitshalber versuchte ich trotzdem, mich dem entspannten Verweilen anzuschließen, was nicht ganz leicht war bei einem Puls von 150 und zwei Stunden bevor Herr Pfingst nach Hause radeln würde.
»Phantastisch hier, oder?«, schwärmte Sina.
»Absolut!«, bestätigte ich.
»Und in Köln«, blinzelte Sina zufrieden, »schauen wir auf den Park und den Rhein!«
»Absolut. Wir haben Rheinview!«
»Rheinview?«
»Blick!«
»Bist deppat, mir geh'n doch gleich wieder los!«, schallte es von der Terrasse des Nachbarchalets zu uns herüber. Die Tränen der Rosinenhexe schienen getrocknet zu sein, sie spie wieder Gift. Verschwörerisch nahm Sina meine Hand, und wir betraten unser Hochfelschalet. Wie schon in der Dünen-Lodge gab es statt eines Schlosses nur einen schweren Reißverschluss: Die Seitenwände der Blockhütte bestanden aus beigem Zeltstoff, lediglich die Stützpfeiler und das Dach waren aus Holz gefertigt. Im Inneren erwartete uns dann ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer mit dunklem Holzboden und großen Folienfenstern, die den Blick auf das Landschaftszeugs freigaben.
»Schau mal!«, rief Sina aufgeregt aus dem hinteren Teil der Zelthütte, »das Bad ist ja halb im Berg! Da geh ich nachts aber nicht aufs Klo!«
Ich folgte Sina, und tatsächlich: Der hintere Teil unseres Blockhüttenzeltes bestand aus der Felswand selbst, davor standen Dusche und Toilette. Wieder schaute ich auf die Uhr. Wenn mir jetzt nicht ganz schnell irgendetwas einfiel, dann offenbar hatte ich ein wenig zu auffällig auf die Uhr geguckt.
»Du willst gar nicht zum Sundowner, oder?« Sina lächelte, dann zog sie den Reißverschluss der Zelttür zu und den ihrer Jacke auf. Warm drang Sinas Atem an mein Ohr: »Ist es nicht schön, dass wir endlich mal ein bisschen Zeit für uns haben?«
Eine halbe Stunde später lagen wir nackt ineinander verschlungen auf dem Bett und schwiegen.
»Ist nicht schlimm«, flüsterte Sina, und noch einmal glitt ihre Hand vorsichtig zwischen meine Beine.
»Und ... wegen mir musst du dich da wirklich nicht rasieren!«
»Okay, danke!«, sagte ich und entschlang mich vorsichtig: Es war schon nach halb fünf, halb sechs in Deutschland.«
»Was hast du denn vor, Schatz?«, murmelte Sina und schnappte sich ihre Decke.
»Ich hab mir gedacht, vielleicht reservier ich uns wieder einen Zweiertisch, so wie gestern.«
»Wenn ich noch ein bisschen liegen bleiben darf?« »Absolut!«
Ich zog mich an und machte mich auf den Weg zur Rezeption. Sie hatte geschlossen! An der Tür hing ein dreisprachiges Schild, dessen deutscher Satz lautete: Sind auf Exkursion, bald zurück!
»Scheiße, verdammte!«, fluchte ich. Es war zwanzig vor sechs. Ein schwarzer Lodge-Angestellter hörte mich und fragte, ob er helfen könne.
»Phone?«, rief ich ihm zu.
»Ah ... Phone! No problem! They are back in two hours!«
Ich bedankte mich freundlich, dann rannte ich zurück in unseren Bungalow, wo Sina vor sich hin schlummerte.
»Und?«, murmelte sie, »haben wir den Tisch?«
»Noch nicht ganz«, antwortete ich und zog unauffällig mein Handy samt Ladekabel aus dem Rucksack. »Gleich wieder da!«
»Okay. Ich dös noch ein bisschen.«
»Absolut!«
Ich bretterte den Holzsteg hinunter, als wären zehn Skinheads mit Schlagstöcken hinter mir her. Hinter dem ersten Felsen verschanzte ich mich. Keuchend schaltete ich das Handy an und tippte meine Pin ein. Das Ganze dauerte ewig, und ich hüpfte herum wie ein Jogger vor einer roten Ampel.
»Jetzt mach schon!«, befahl ich, und es machte — Empfang: fünf Balken. Provider: CellOne. Ladezustand: 2 %. Wütend trat ich gegen den Felsen: »Ich dreh hier noch durch in diesem verschissenen Kackland!«
Als die Wut weniger wurde und die Schmerzen im Fuß stärker, setzte ich mich erschöpft auf den Fels. Die milde Abendsonne legte sich über mein Gesicht, ich schloss die Augen. »Es soll nicht sein«, flüsterte ich niedergeschlagen, »es soll einfach nicht sein.«
Als ich die Augen wieder öffnete, stand Erdmännchen Carlos neben mir und hielt nach Feinden Ausschau.
»Na? Schon ein bisschen umgeguckt auf der neuen Lodge?«
Carlos drehte sein Köpfchen zu mir.
»Du weißt nicht zufällig, wo hier die Adapter sind, oder?«
Für eine Sekunde musterte mich Carlos, dann begann er mit den Vorderpfoten wild zu graben.
»Das ist echt lieb von dir«, lachte ich, »aber da is sicher keiner.«
Als hätte er mich verstanden, stellte Carlos
Weitere Kostenlose Bücher