Hummeldumm
in der Wüste zu verstecken, bis der Krieg vorbei war. Entsprechend hieß das Buch Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste.
»Am Bauch musst an kitzeln, des hot er gern!«, besserwisserte die Gruberin und schnappte sich den vor Vergnügen quietschenden Carlos einfach aus Trixis Schoß. »Gell, Carlos, am schönsten is bei der Käthe!« Die arme Trixi war schlichtweg fassungslos über Käthes Gefühllosigkeit und schenkte kopfschüttelnd Wasser nach.
Ob Carlos wollte oder nicht - er war der heimliche Star des Abends, er hielt die Gruppe zusammen, sorgte für Gesprächsstoff und lenkte ab von all den unbequemen Wahrheiten, wie der Tatsache, dass die Reise vermutlich mit drei zerbrochenen Beziehungen enden würde und wir auch sonst die erbärmlichste Reisegruppe seit Erfindung des Tourismus waren.
Ohne unser Top-Notch-Erdmännchen, da war ich mir sicher, hätte man sich stumpf angeschwiegen am schweren Holztisch. Was hatte man sich schon zu sagen? Das Ehepaar Gruber: nichts. Trixi einem angetrunkenen Breitling und Brenda: auch nichts. Seppelpeter hatte sowieso nie viel mehr gesagt als »Naa« und »Winkamal«, ja nicht mal Sina und Schnabel sprachen, aber nun gab es ja Carlos, dessen Entführung offensichtlich verziehen war und um dessen Zuneigung ein solcher Kampf entbrannt war, als hätte jemand überraschend Brad Pitt zu einer privaten Mädels-Grillparty mitgebracht. Jeder wollte ihn anfassen, necken und fotografieren, und gelang ihm einmal die Flucht zu mir an den Kamin, so wurde er von der Gruberin höchstpersönlich wieder von dort zurückkommandiert.
Da widmete ich mich schon lieber meinem neuen Wüstenkriegsbuch. Wider Erwarten hatte es mich regelrecht in seinen Bann gezogen, und fast fraß ich die Zeilen, so plastisch beschrieb der Autor die gemeinsame Flucht in die Wüste und das Überleben dort. Im Gegensatz zu den beiden konnte ich weder etwas jagen noch schießen, und selbst wenn - schlachten könnte ich es ohnehin nicht. Als ich weiter darüber nachdachte, stellte ich fest, dass das gar nicht schlimm war, da ich ohnehin vorher verdursten würde, denn wie man trinkbares Wasser fand in der Wüste, das wusste ich natürlich auch nicht.
»Carlos! Geh her!«, kreischte die Gruberin, und endlich schritt Bahee ein und befahl, dass wir den Carlos jetzt aber mal in Ruhe lassen sollten, der sei immer noch ein echtes Tier und nicht von die Macher von
Ice Age
oder so, ne. Ich und weitere Gäste der Lodge, die einfach nur ein ruhiges Abendessen einnehmen wollten, waren recht dankbar für den Hinweis und Carlos offenbar auch: Erschöpft kam er auf meine Couch gehoppelt, um sich unter den eifersüchtigen Blicken der Gruberin bäuchlings über die Lehne zu fläzen und binnen Sekunden einzupennen.
»Caaaaarlos!«, sang die Gruberin quer durch den Raum, woraufhin Carlos sein rechtes Auge einen winzigen Spalt öffnete.
»Schläft!«, rief ich zurück, und Carlos' Auge fiel wieder zu. Doch die Gruberin gab nicht auf und präsentierte ein leckeres Stück Wurst.
»Ah geh, der tut nur so. Carlos! Schau, i hab a Wurst für dich!«
Und tatsächlich: Auf das Stichwort Wurst rutschte Carlos von der Couch, taumelte in Richtung des feindlichen Tisches wie ein Schlafwandler zum Kühlschrank und brach schließlich genau zwischen mir und der Wurst auf dem warmen Teppich zusammen, wo er abermals in einen tiefen Erdmännchenschlaf versank. Carlos war eben kein Duracell-Erdmännchen; irgendwann brauchte auch er mal eine Pause.
Gute zwei Stunden saß ich nun alleine mit meinem Buch auf meinem Sofa, da kam Breitling und fragte schelmisch, ob ich Lust auf Blödsinn hätte. Hatte ich nicht, und Breitling zog enttäuscht ab. Ein wenig später besuchte mich auch Bahee und bot mir an, mal mit den anderen zu reden, er könne da gar nicht hinschauen, wie ich so alleine hier mal rumsaß auf dem Sofa, ne. Ich sagte ihm, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche und ich ganz gut alleine zurechtkäme mit mir und meinem Buch und ich auch nicht sauer sei, wenn er bei der Gruppe bliebe, schließlich sei dies ja sein Job und meiner nicht. Bahee klopfte mir auf die Schulter, holte zwei Bier von der Bar und brachte mir eines.
»Hier Matze, der beruhigt.«
»Danke, sehr nett«, sagte ich, und als er nicht mehr hinschaute, schob ich es weg.
Wenn ich richtig lag, dann hatten wir noch drei Tage auf dem Programm. In nur 72 Stunden würden Sina und ich nach Hause fliegen, entweder auf getrennten Sitzplätzen oder zusammen. In jedem Fall, so
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