Hund aufs Herz
den entsprechenden Ignoranten in den entsprechenden Gremien ohne Skrupel ignoriert.
Und schon waren sie wieder da, die Trittbrettfahrer der Obrigkeit, schon mehren sich die Fälle, wo Mißgünstige und Bösartige ihre Chance sehen, jemandem eins auszuwischen, an den sie sonst nicht herankämen.
Ich schildere im folgenden zwei derartige Fälle, die sich der «Kampfhundlüge» bedient haben.
Bettina Sch. und ihr Mann haben seit eineinhalb Jahren die eine Hälfte eines Doppelhauses in einer gutbürgerlichen Gegend Hamburgs gemietet. Hundertdreißig Quadratmeter zu dem horrenden Preis von dreitausendfünfhundert Mark Kaltmiete. Der Vertrag wurde geschlossen, als das Haus noch im Rohbau war, die Besitzer zogen in die andere Hälfte. Anfangs bestanden gutnachbarliche Verhältnisse, auch als sich Familie Sch. einen Bull Terrier anschaffte und nach ein paar Monaten einen zweiten: «Gordon» ist jetzt ein Jahr, «Hydra», die Hündin, gerade mal fünf Monate. Auch als Familie Sch. schwere Baumängel feststellte und die Primitivausstattung des Hauses bemängelte, die in keinem Verhältnis zur Miete stand, blieben die Besitzer und Nachbarn gelassen, ermutigten Familie Sch. sogar, auf dreißig Prozent Mietminderung zu klagen, denn sie waren der Meinung, der Bauträger müsse Schadenersatz leisten. Erst als sich herausstellte, daß die gesetzliche Frist für Reklamationen verstrichen war und der Besitzer selbst würde haften beziehungsweise eine Mietminderung in Kauf nehmen müssen, wurden die Besitzer schlagartig gemein: Frau Dr. S. und ihr Mann, die bis dahin die beiden jungen Hunde nicht nur geduldet, sondern in engem Kontakt mit ihnen gelebt hatten – Frau Dr. S. war schon mal mit ihnen spazierengegangen und hatte im Austausch ihren anderthalbjährigen Sohn der Obhut der Familie Sch. anvertraut, die zwei Kinder hat: heute fünf- und vierjährig. Jetzt aber, als die Hausbesitzer S. mit berechtigten Regreßansprüchen rechnen mußten, jetzt witterten sie ihre Chance, die unliebsam gewordenen Nachbarn loszuwerden. Die lieben freundlichen Nachbarshunde standen ja auf der Hamburger «Kampfhundliste»! Also: Anzeige beim Ordnungsamt, die Hunde liefen zeitweise unangeleint. Frau Sch. bekam Order, die Hunde nur noch an der Leine zu führen. Zweite Anzeige: Die Hunde liefen im Garten (800 qm) unangeleint. Frau Dr. S. fühle sich (urplötzlich) bedroht.
Dritte Anzeige: Der Rüde hätte sie bedroht, Frau Dr. S. hätte sich gerade noch ins Auto retten können. Das Ordnungsamt wiegelt genervt ab. Vierte Anzeige: Frau Dr. S. verlangt, Sie lesen richtig, daß die Hunde von der Haustür bis zur Grundstückspforte mit Maulkorb in einem tragbaren verschlossenen Behälter zu transportieren seien. Das Ordnungsamt entspricht dem nicht, da in keiner Verordnung vorgesehen. Übrigens hat Frau Sch. die offizielle Erlaubnis für die Haltung ihrer «Kampfhunde». Nächste Anzeige: Ein Hund der Frau Sch. sei wieder ohne Leine im Garten gelaufen. Foto anbei. Pech gehabt: Es war der Hund des Gärtners, der ihn nichtsahnend mitgebracht hatte: Die drei Hunde hatten immer so nett miteinander gespielt.
Ich weiß nicht, ob die nächste Anzeige schon unterwegs ist. Ich habe Frau Sch. geraten, sich einen anständigen Anwalt zu nehmen, den pathologischen Anschuldigungen mit einer Verleumdungsklage zu begegnen und im übrigen die Flucht zu ergreifen und sich für das viele Geld eine normale Heimstätte für ihre Familie zu mieten. Wie gut, daß die Zeiten der Inquisition vorbei sind. Ich bin sicher, Frau Dr. S. hätte Frau Sch. mitsamt ihren Hunden flugs auf den Scheiterhaufen gebracht (denn auch Tieren wurde der hochnotpeinliche Prozeß gemacht).
Im nächsten Beispiel berichte ich über einen Fall, den ich der Tagespresse entnommen habe. Sie dürfen dann gerne mitentscheiden, ob zwischen den Zeilen nicht eine ganz andere Geschichte zu entdecken ist: die Geschichte eines nicht weniger miesen Falls von Trittbrettfahrerei.
Sprichwörtern und Redewendungen gegenüber ist Mißtrauen angebracht, und Traditionen müssen überprüft werden. In Niedersachsen sagt jeder zweite, wenn man ihn auf irgendeine unsinnige Handlungsweise anspricht: «Dat hefft wi all jümmer so makt»(das haben wir immer so gemacht) – und geht, beispielsweise, mit der Giftspritze auf seinen Garten los.
Festgefahrene Ansichten sind kaum zu entkräften, weil sie vorgefaßt sind. Das kann man in jeder Talkshow beobachten: Keiner beginnt das Gespräch als Saulus und geht als Paulus
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