Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Haucke
Vom Netzwerk:
ist.
    Eines ist sicher: am leistungsfähigsten, will heißen am «stärksten» und am problemlosesten sind Hunde mit unauffälligem Körperbau und zirka zwanzig Kilo Gewicht. Schade, daß sich das nur bei den Veranstaltern von Hundekämpfen herumgesprochen hat.

«Crufts»: größer geht’s nicht
    Der wegen seiner graugelben Augen so genannte altrömische Patrizier Lucius Cassius Longinus Ravilla übernahm im Jahre 125 v. Chr. das hohe Amt des Zensors, des Sittenrichters. Mit äußerster moralischer Strenge versah er sein Amt und wurde dadurch zum Schöpfer eines geflügelten Wortes, daß er den Richtern bei Strafprozessen einschärfte, sie sollten vor allem ermitteln, «cui bono»– wem zum Nutzen – die böse Tat geschah. Diese Faustregel des Cassius gilt immer und überall. Bis heute. Auch beim «Crufts».
    Ich wurde an diese drängende Frage erinnert, als ich in Birmingham in das brodelnde Geschehen eintauchte, das sich Crufts nennt: die größte Hundeschau der Welt. Über zwanzigtausend Hunde werden an fünf Tagen ausgestellt, bewertet und prämiert. Von jeder einigermaßen bekannten Rasse Dutzende, von den exotischen, weniger oder kaum bekannten wie Mexican Hairless oder Shar Pei immerhin noch fünf oder zehn.
    Die Organisation ist bewundernswert. Über dem Gebrabbel von Abertausenden von Menschen aus aller Welt nur die Lautsprecheransagen darüber, wann wo was gerade los ist, oder die Mitteilung, daß Klein-Billy sich verlaufen hat und bei der Zentrale abgeholt werden kann.
    Die Hunde schweigen. Jeder Beller fällt auf, fällt heraus aus der allgemeinen Geräuschkulisse.
    Vielleicht lachen mich jetzt die Wissenden aus oder sich ins Fäustchen, weil ich nicht weiß, daß es dort üblich ist, die Ausgestellten ein bißchen zu sedieren, um sie damit einer Umgebung gegenüber gleichgültig zu machen, die Wesen mit so feinen Sinnen, wie sie Hunde nun einmal besitzen, unerträglich wäre. Bitte, ich will nicht behaupten, was ich nicht beweisen kann. Aber ein Hund lebt auch und vor allem in einer Welt der Gerüche, entnimmt ihr die für ihn wesentlichen Informationen. In dem olfaktorischen Chaos auf einer solchen Monsterausstellung verliert er zwangsweise jede Orientierung, wird überschwemmt von Eindrücken, die so geballt auf ihn einstürmen, daß ihm keine Möglichkeit bleibt, zu reagieren. Es ist, als würden wir mit Hunderten von Bildschirmen konfrontiert, die alle unterschiedliche Abläufe von Geschehnissen ausstrahlen, verstärkt durch Stentorstimmen.
    Im übrigen das Übliche: wenig Gesundheit, viel mit Stolz vorgezeigte Krankheit: einem Bernhardiner mit so viel dicker Haut, daß nicht nur die Kehlwamme die Unterlider tief nach unten zieht und die chronisch entzündete Bindehaut sichtbar wird, fällt zusätzlich die Stirnhaut von oben über das Auge, das verzweifelt Sekret produziert. Und unendlich viel zu schwer die ewig sabbernden Nachkommen des berühmten Barry, der so viele Menschen vor dem Weißen Tod rettete. Der wog etwa vierzig Kilo. Der Sieger hier: einhundertfünf Kilo, sich selbst qualvoll über die Tage rettend.

«Crufts»: größer geht’s nicht

«Crufts»: größer geht’s nicht

Die Deutschen Doggen, Künstlername «Great Danes», elegante, wunderschöne Riesen, leichtfüßig durch den Ring schwebend. In einer Box, eisgrau, von Arthrose gepeinigt, der Senior der gelben Elfen. Sein Alter: sechs Jahre!
    Zitternd die nackten Mexikaner, Mutationen, reingezüchtet aus einem wolligen Hündchen. «Powder Puff» heißt es mit Fell, kommt immer wieder vor in den Würfen und darf in England zusammen mit den Entblößten im Ring laufen, wie eine Haarwuchsmittelwerbung: vorher – nachher. Nur in umgekehrter Reihenfolge.
    Überall Spraydosen, Fette, Kreide für die Weißen. Ein Stand mit Folterinstrumenten jeder Art für die Geschundenen. Ein Galgen zum Beispiel, an dem ein ausgestopfter Pudel hängt. So wird das Hündchen feingemacht. Der Ausgestopfte wirkt wesentlich natürlicher als seine lebenden Artgenossen in «Standard »–Schur: Die Gärten von Versailles sind gegen diese bis zur Unkenntlichkeit verschnittenen Geschöpfe die reine Wildnis.
    Wehe den Langhaarigen, sie trifft es am fürchterlichsten. Das kostbare Seidenkleid der Pekinesen zu einem unübersehbaren Haufen toupierter Flusen gezerrt, aus dem irgendwo angstvoll zwei schwarze Kulleraugen glimmen.
    Während die Verunstalterinnen (Pardon, es sind nun einmal vorwiegend Damen) miteinander schwätzen, wird ununterbrochen gezupft und

Weitere Kostenlose Bücher