Hund aufs Herz
vierzig Kilo, Mastiffs siebzig Zentimeter mit maximal sechzig Kilo. Demgegenüber die Maße und Gewichte aus einem Standardwerk unserer Tage: Deutsche Dogge achtzig Zentimeter bei fünfundachtzig Kilo, Bernhardiner fünfundsiebzig bei achtzig Kilo, Rottweiler siebzig bei fünfzig Kilo, Mastiff achtzig Zentimeter und ebensoviel Kilo. «Mindestens» heißt es bei der Angabe dieser enormen Ausmaße. Das heißt, der Hund wird auf Ausstellungen höher benotet, wenn er die Standardmaße, die ja nicht nur Richtschnur, sondern obligatorisch sein sollen, möglichst weit überschreitet.
Demzufolge sind Mastiffs und Bernhardiner häufig hundert Kilo schwer und mit Preisen in ähnlicher Gewichtsklasse überhäuft. Lakonisch und eiskalt steht neben dem Foto von einer in den Himmel ragenden heutigen Deutschen Dogge: «Die deutsche Dogge wird etwa sieben Jahre alt»(Ulrich Klever, «Knaurs großes Hundebuch»).
Nun, früher wurde der gleiche Hund zwölf oder vierzehn Jahre, wie jeder andere Hund. Ich frage mich, was geht in Menschen vor, die vorgeben, eine bestimmte Rasse geradezu überschwenglich zu lieben, und dieser Rasse Proportionen verordnen, die jedem einzelnen Exemplar einen frühen Tod garantieren? Was sind das für Menschen? Psychopathen? Sadisten? Mit leuchtenden Augen führen sie diese armen Krüppel vor, zitternd vor Schwäche, ewig, auch in Ruhestellung, hechelnd und sabbernd, mit riesigen Liegeekzemen an den Ellenbogen, ein erbärmlicher und todtrauriger Anblick für jeden Hundefreund. Um es einmal deutlich zu formulieren: Hunde in diesen Proportionen zu züchten erfüllt den Tatbestand der Tierquälerei, die Fakten sprechen für sich, jeder Unbefangene sieht es. Da stehen riesige Körper auf viel zu dünnen Beinen, da suchen ungeheure Köpfe jede Gelegenheit einer Auflage.
Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit zu überprüfen, ob ein Hund noch so proportioniert ist, daß er sich normal verhalten kann: Zeigen Sie dem liegenden Hund etwas, was er unbedingt und von ganzem Herzen begehrt: ein Spielzeug, einen bestimmten Leckerbissen oder auch etwas, was ihn wütend macht. Im Normalfall ist ein Hund dann so schnell auf den Füßen, daß man das Aufstehen an sich mit den Augen gar nicht verfolgen kann, und ebenso schnell auf dem Weg. Kommt er selbst in derart emotionsgeladenen Momenten sichtlich schwer auf die Beine, ohne nachweislich krank zu sein, dann ist dieser Hund ein Zuchtkrüppel, und seine Züchter sind verantwortungslose Vermehrer von defekten Mutanten der ehemaligen Originalform.
Es gibt aber leider nur eine Möglichkeit, diesem Spuk ein Ende zu machen: Verweigerung. Lassen Sie die Züchter auf ihren Giganten sitzen! Was sich nicht verkaufen läßt, verschwindet ganz schnell vom Markt. Lassen Sie sich von diesen Leuten nicht zulabern, erliegen Sie nicht dem Charme der großfüßigen Welpen. Die werden in Kürze genauso kranke Riesen wie ihre nächsten Verwandten. Nur auf diese Art kann man viele vordem gesunde und attraktive Rassen auf ein Maß zurückführen, das sie wieder lebensfähig macht.
Hundezwerge gibt es schon, solange es Hundezucht gibt. Sie sind im allgemeinen nicht gesünder als die Riesen, leiden aber weniger. Warum? Es wurde nie etwas von ihnen verlangt! Ein Chihuahua, ein Bichon, ein Pekinese sind immer Schoßhunde gewesen. Wenn man den größten Teil seines Lebens getragen wird, braucht man keine Kondition. Und wenn das Skelettchen auch viel zu schwach ausgebildete Knochen aufweist, der winzige Schädel mit einer Hand zerdrückt werden könnte: Bemuskelung und Gelenke garantieren im allgemeinen behendes Vorwärtskommen. Man muß halt aufpassen auf Zwerge. Gott, wer so was mag …
Unterhalb von zwei Kilo hört der Spaß allerdings auf. Defekte, die unmittelbar mit dieser Winzigkeit zusammenhängen – nicht schließende Fontanellen, Zahnlosigkeit, Gelenkluxationen –, um nur ein paar davon zu nennen, treten auf und nagen am Wohlbefinden des Zwergleins.
Und die Tendenz, ehemals normal proportionierte Rassen züchterisch zu verzwergen, ist in jedem Fall verwerflich. Ich meine damit: Ein Chihuahua ist eine zweitausend Jahre alte Tatsache. Hätte dieser Winzling nicht viel Substanz, wäre er längst ausgestorben, also bitte. Dieser Fakt stellt aber niemandem einen Freibrief dafür aus, kernige Zehn-bis-fünfzehn-Kilo-Hunde willkürlich zu lächerlichen Gnomen zu machen, wie dies im letzten Jahrzehnt mit Yorkshire Terriern und West Highland White und davor mit Pudeln und Spitzen geschehen
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