Hunde Jahrbuch
soweit okay, aber ich sollte doch mal nach Meta, unserer alten Colliehündin schauen, die hätte sich die Wolfskralle „so komisch verbogen, wäre wohl irgendwo hängen geblieben“. Ich durchblickte sofort die Bescherung. Es sah mehr als nur „komisch verbogen“ aus. Also ab zum Tierarzt. Die Hündin bekam eine leichte Narkose, dann die Kralle gezogen, einen Verband drum herum und sollte einige Tage nicht so viel laufen.
Vom Tierarzt zurückgekehrt, hatte Josefa derweil irgendetwas erbrochen, denn – typisch ehemaliger Straßenhund – sie kann es nicht lassen, das ein oder andere Fundstück direkt zu verkonsumieren. Meistens geht das gut, diesmal ging es ihr hinterher schlecht. Der einzig fitte Kerl, mit dem es an diesem Tag keine Probleme gab, war Vincent, unser dreibeiniger, quirliger Rüde, auch ein ehemaliger bulgarischer Straßenhund. Ständig zu Spielchen und Späßen aufgelegt, schaute er jetzt total gelangweilt drein. Seine Augen fragten mich etwas anklagend: „Frauchen, hast du denn heute gar keine Zeit für mich?“ Ich nahm ihn also mit nach draußen, da meine Hündinnen beide „in Essig lagen“. Mit denen war den Rest des Tages nichts mehr anzufangen. Josefa kurierte ihre Magenverstimmung aus, Meta hielt andauernd ihre Pfote hoch und jammerte: „Aua, aua ...“
Anstelle des Frisörbesuches tollte ich also mit Vincent herum, der sich sichtlich über die ungeteilte Aufmerksamkeit freute. Später am Abend schaute ich noch einmal nach der nächtlichen Jagdhundeinlieferung Nixe, die schon wieder recht forsch und munter schien, versorgte die anderen vier Gasthunde, bekam erneut den feuchten Riesenwaschlappen von Dusty ins Gesicht, weil ich wieder nicht aufgepasst hatte, als ich den Napf auf den Boden stellte, und fiel danach ziemlich müde und geschafft ins Bett.
Anstatt von Tizianrot und dezentem Blond träumte ich in dieser Nacht von angefahrenen Hunden, Autopannen, abgerissenen Wolfskrallen und vergifteten Nahrungsresten, die Josefa sich einverleibt hatte. Der einzige Trost war, dass es in einem weiteren halben Jahr sicherlich wieder eine neue Chance für einen Frisörbesuch geben würde, und verglichen mit dem Geschenk, ein Leben unter stets dankbaren Fellnasen führen zu dürfen, versank der geplatzte Termin postwendend in der Bedeutungslosigkeit.
Die Lachs-Tortellini
Hans-Jürgen Mülln
Moritz lag entspannt im frisch gemähten Gras, das sich bereits schön warm anfühlte und angenehm süßlich roch. Der Labradorrüde genoss die Strahlen der Frühjahrssonne, die auf den Garten seiner Menschenfamilie herniederschienen. Sie waren schon kräftig genug, um den weichen Rasen ebenso leicht aufzuheizen wie seinen schokofarbenen Pelz, der im hellen Licht auffällig glänzte. Moritz lag neben der Tischtennisplatte, die das erste Mal in diesem Jahr vor der Terrasse aufgebaut worden war. Unentwegt folgten seine Augen dem federleichten Pingpongball, der durch die Luft hin und her flog: von rechts nach links, von links nach rechts, genau im Takt, den die zweibeinigen Spieler – sein großes und sein kleines Herrchen – vorgaben. Er wartete darauf, dass einer von beiden das weiße Ding verschlüge und er den Balljungen spielen könnte. Solche Sonntage liebte er: die Familie zusammen und er mittendrin, immer eine Gelegenheit suchend, sich – nach seinem Verständnis – nützlich und damit beliebt zu machen. Dass er dabei eigentlich immer nur an seinen Vorteil dachte, sei ihm verziehen. So ist der Labrador eben, ein Pfiffikus, nie ohne Hintergedanken, und Moritz bildete da keine Ausnahme.
Heute spielten die beiden aber sicher, wunderte er sich, viel zu sicher. Bisher hatten sie nur wenige Bälle verschlagen, viel zu wenige. Er musste ein bisschen nachhelfen. Moritz erhob sich, streckte seine Glieder und schlich gemächlich zu Klein-Herrchen hinüber, um ihn ein wenig zu irritieren. Denn er wusste, dass der sich viel eher erschrecken ließ als Groß-Herrchen. Als er gewollt zwischen die Beine des Jungen geriet, verschlug dieser prompt seinen Schmetterball, den er eben angesetzt hatte. Klein-Herrchen war sauer auf Moritz. Aber das nahm der Labrador in Kauf und blieb gelassen. Ausgestattet mit einem strategisch denkenden Gehirn war ihm klar, dass der Ärger wieder verflöge, sobald er dem Jungen den Ball brächte. Und so war es auch. Moritz stürzte sich auf das im Gras gelandete weiße Ding, packte es vorsichtig mit dem Fang, legte es vor die Füße Klein-Herrchens ab und schmachtete ihn mit
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