Hundediebe kennen keine Gnade
Druck.“
„Dachte ich’s mir doch. Und wie der
mich umklammert! Dauernd stehe ich unter Druck. Daß ich nicht satt werde, ist
schlimm genug. Aber dazu noch die Schufterei. Tag und Nacht stopfe ich mich
voll mit nutzlosem Wissen. Das schlaucht. Wenn am Tag der offnen Tür die
Besucher kommen, wird sich mancher denken — bei meinem Anblick: Ist das nicht
der gestreßte Willi Sauerlich? Eine Schande, wie man heutzutage die Schüler
überfordert.“
Tarzan lachte so laut, daß sich der
Wind zwischen seinen Zähnen verfing.
„Du und gestreßt? Tag und Nacht stopfst
du dich voll mit nutzlosem Wissen? Wo habe ich nur meine Augen, daß ich davon
nichts bemerke. Im übrigen ist Wissen nie nutzlos. Und Lernen ist
Gehirntraining. In der Welt von morgen werden nur die besten Gehirne gefragt
sein. Also stopf dich voll — aber nicht mit Schokolade!“
„Zur Zeit lese ich ein Buch über
Kakaoernte und Schokoladenherstellung“, erwiderte Klößchen. „Das Lesen streßt
mich zwar auch. Aber vom Zweig eines Kakaobaumes lasse ich mich lieber
umklammern als von einem rechtwinkligen Dreieck.“
Sie erreichten die Schule, brachten
ihre Drahtesel in den Fahrradkeller und stiegen hinauf ins ADLERNEST, ihre
gemütliche Zwei-Mann-Bude, wo Klößchen sich gleich aus seiner Schokoladenkiste,
seinem Eichhörnchen-Vorrat, bediente, denn zum Abendessen war es noch etwas zu früh.
Tarzan ging in die Bude IGLU (Eskimohütte) hinüber, um Thilo oder Florian nach dem Ausgang der Drahtesel-Rallye zu fragen.
Nur Thilo war da, das picklige Musikgenie.
Er übte gerade auf einer Blockflöte.
Otto Krawutschke, der am Tisch saß und über einem Puzzle brütete, hatte sich
beide Ohren mit den Fingern verstopft. Er haßte Musik, war aber ein enorm guter
Bastler.
Tarzan erfuhr, die Goethe-Schüler
hätten gewonnen.
„Als Flori und ich ankamen, lagen wir
zeitlich auf Platz drei. Aber weil ihr nicht mehr dabei wart, hat uns der
Lefkaje disqualifiziert (wegen Regelvergehen ausschließen). Wir haben
ihm erklärt, daß es wegen des Hundes ist. Das hat er eingesehen. Fand ‘s sogar
gut.“
„Puck ist wieder völlig gesund“, sagte
Tarzan im Hinausgehen — und ärgerte sich sofort, daß er das mitteilte.
Thilo nahm es gar nicht zur Kenntnis.
Er flötete schon wieder und hätte der Nachricht, Puck sei gestorben, genau so
viel Interesse entgegengebracht.
Klößchen lag auf dem Bett und
beschäftigte sich geistig und körperlich mit Kakao-Produktion. Er las im
besagten Buch und lutschte lautstark dazu.
Tarzan berichtete, was er von Thilo
wußte. Klößchen bedauerte, daß sie das Gemeinschaftsfoto verpaßt hätten. Aber
Pucks Rettung sei ja in jeder Hinsicht wichtiger gewesen.
Tarzan streifte Pulli und Turnschuhe ab
und legte sich aufs Bett. Vor dem Fenster hing der Abend. Er sah aus wie die
Nacht. Kein Mond zeigte sich. Dunst verhüllte die Sterne. Der Wind plünderte in
den Bäumen, und vereinzelte Blätter tanzten am Fenster vorbei.
Tarzan griff nach einem Buch über die
Entdeckung Amerikas, las aber nicht, sondern döste. Unbewußt nahm er die
Geräusche auf, von denen das Haupthaus erfüllt war. In vielen Buden wurde
krakeelt. Einige Mitschüler hatten die Radios laut gedreht. Thilos Geflöte durchdrang
Wände und Türen. Irgendwo fiel krachend eine Tür zu. Im Erdgeschoß, wo die
Köchinnen für Hunderte kochten, schepperten Kessel und Pfannen. Drüben im
Waschsaal rauschte eine Dusche.
Tarzan dachte nach über Zotte und
Katzentod und darüber, wie verschieden Menschen sind. Die einen, dachte er,
schützen die Tiere, hegen sie und achten ihr Leben. Die andern benutzen sie
bestialisch für gemeinste Zwecke. Nicht nur, daß Millionen Versuchstiere für
grausige und sinnlose Tierversuche sterben — überall in Europa! Dann kommen
auch noch Gelichtertypen wie Zotte und Katzentod und erpressen und betrügen die
Tierhalter. Alles Menschen! Aber nicht von derselben Strickart.
Auf dem Flur dröhnten Schritte.
Im nächsten Moment wurde die Tür
aufgestoßen.
Studienrat Scheiblich stampfte herein.
Er war ein kleiner Glatzkopf mit Brille
— im ganzen nicht übel, aber launisch. Wenn er Dienst hatte wie heute, verdroß
ihn jeder Klacks.
Ohne Gruß und Erklärung wies sein
nikotingelber Finger auf Klößchen.
„Mach sofort deinen Schrank auf, Willi!“
Klößchen blinzelte, schwang die Beine
vom Bett und erhob sich.
„Nach dem Essen will ich aufräumen,
Herr Scheiblich. Bin nämlich gestern gegen den Schrank gefallen. Da ist er
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