Hundediebe kennen keine Gnade
Telefon. „Aber die
Suppe wird dir versalzen, Verbrecher!“ schimpfte er. „Inserieren werde ich,
jawohl! Und alle Tierhalter, denen ihr Hausgenosse entlaufen ist, warnen. Damit
sie dir nicht auf den Leim gehen. Die Polizei ist auch verständigt...“
Jetzt fiel ihm ein, daß die Beamten
erst in zwei Stunden herkamen.
Zottes Gesicht färbte sich dunkel vor
Wut. Er ließ seine Zigarette fallen.
„Alter Stinker!“ brüllte er.
Wuchtig stieß er Haudegan die Faust vor
die Brust.
Der alte Mann taumelte zurück, verlor
das Gleichgewicht und stürzte. Er schlug mit dem Ellbogen auf. Das schmerzte
gemein. Außerdem rutschte ihm die Brille von der Nase.
Dem zeige ich’s! dachte Zotte.
Zweimal trat er dem alten Mann gegen
die Rippen. Das Stöhnen war Musik in seinen Ohren. Er trampelte auf die Brille.
Knirschend zerbrachen die Gläser.
Als er aus dem Vorraum ins Freie
entwich, warf er die Tür ins Schloß.
Patulke sah in den Rückspiegel und
wunderte sich, daß sein Kumpel im Laufschritt nahte.
Zotte glitt auf den Nebensitz.
„Ab! Es ist schief gegangen! Mach
schon, Gert!“
Patulke fragte nicht.
Zotte verschnaufte. Er drehte sich
mehrmals um, als befürchte er Verfolger. Aber nur ein Bus der Städtischen
Verkehrsbetriebe kam ihnen nach.
Zotte erzählte und fügte hinzu: „Dieser
Mistkerl macht das bestimmt. Ich meine, er wird seinesgleichen mit ‘nem Inserat
warnen. Dann ist es Essig mit unserm Geschäft. Verdammt! Es ging ja auch zu
gut. Der Knall mußte ja mal kommen.“
„Da haben wir abgeharkt, ohne uns zu
bücken.“ In Patulkes Grobgesicht regte sich nichts. „Und jetzt?“
„Die Masche mit den entlaufenen
Viechern war gut. Wir verwerten unsere Erfahrungen und stellen uns nur etwas
um. Bisher haben wir Luft verkauft. Haben Lösegeld erpreßt für Viecher, die wir
nicht hatten. Künftig brauchen sich Herrchens und Frauchens nicht mit
Ungewißheit zu quälen. Sie werden genau wissen, daß wir sie haben, die Viecher.
Weil wir sie klauen. Verstehst du, Gert! Wir kidnappen Hunde. Dognappen, sagt
man, glaube ich. Ist ‘ne heiße Sache. Und einträglich. Was die Hunde ihren
Besitzern wert sind, wissen wir ja.“
„Dognappen!“ Patulke grinste. „Nicht
schlecht.“
„Sogar sehr gut.“
„Wann fangen wir an?“
„Wie? Ja, hast recht. Nichts auf morgen
verschieben, was man heute tun kann. Ich wette, daß Haudegan spätabends mit
seinem Bimbo im Stadtpark die Runde macht. Dabei kaschen wir das Vieh. Ist
gleichzeitig ‘ne Strafe für den Alten. Und wehe, der bringt wieder Bullen ins
Spiel. Dann hänge ich seinen Köter am nächsten Laternenpfahl auf.“
6. Wer stahl die Zwiebäcke?
Die Jungs hatten Gaby nach Hause
gebracht. Karl empfahl sich. Tarzan und Klößchen radelten zur Internatsschule
zurück, während sich ein früher Abend auf Stadt und Land senkte.
Die Internatsschule, die bekanntlich
außerhalb liegt, sandte Lichtsignale über die herbstlichen Stoppelfelder.
Jedenfalls schien es den beiden so, als sie — gegen den Abendwind gestemmt — über
die Zubringerstraße hechelten.
Die Lichtsignale — das waren die
erleuchteten Fenster. Die Bäume, die das große Gelände umstanden, hatten schon
viele Blätter abgeworfen. Die kahlen Äste schirmten nicht mehr ab.
Klößchen fuhr voran. Das Abendessen
lockte. Das machte ihm flinke Beine.
Immerhin fiel ihm auf, wie sich rund
ums Jahr der Anblick der Internatsschule verändert. Besonders, wenn man sie von
weitem betrachtet.
„Unser zweites Zuhause“, philosophierte (nachdenken, sich um Weisheit bemühen) Klößchen laut, „sieht im Winter
aus wie eine verschneite Burg in der Ebene. Man ahnt dann gar nicht, wie
gemütlich es im Adlernest ist — und im Speisesaal. Im Sommer sieht man nur die
Türmchen vom Hauptgebäude und zwei Giebel, seit Mandl“, das war der
Hausmeister, „die Ulme gestutzt hat. Alles andere ist grün. Nur Bäume. Wer aus
der Ferne kommt, denkt, es ist Wald. Wir leben dann wie in der Sommerfrische,
was? Man könnte meinen, wir verbringen dort unsere Ferien. Aber gerade die
verbringen wir woanders. Hier, in der Schule, findet das Gegenteil statt. Hier
umklammert uns der Streß. Aber den sieht man erst, wenn man näher rankommt an
die Penne.“
„Hast du Hunger?“ forschte Tarzan.
„Wieso? Den habe ich doch immer. Sind
dir meine Worte unklar?“
„Woran sieht man das, wenn dich der
Streß umklammert?“
„Woran? Hm. Streß — was ist das
eigentlich?“
„Übermäßige Anspannung.
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