Hundediebe kennen keine Gnade
sich als ganzer Kerl zu beweisen — und nicht nur als halbe
Portion. Manchen Mitschülern geht das auf den Geist. Was Floris Verbleib
angeht, haben wir unsere Denk-Werkzeuge schon voll eingeklinkt. Aber es hat
nichts gebracht. Wir sind ahnungslos wie die Maulwürfe.“
Glockner lächelte.
Dr. Freund machte ein Gesicht wie
frisch gepreßter Zitronensaft. Wenn sich ein Schüler nicht wie Goethe
ausdrückte, sondern modern, wurde der Direx sauertöpfisch. Tarzan wußte das,
aber es war ihm schnurz.
„Hältst du es für möglich, Tarzan“,
fragte Glockner, „daß Flori eine Dummheit angestellt hat?“
„Ja“, sagte Klößchen. Er war noch nicht
gefragt, antwortete aber wie aus der Pistole geschossen. Im Unterricht ließ er
sich mehr Zeit.
Der Kommissar nickte. „Aha. Und
sowieso, Willi?“
„Vielleicht will er uns busten. Das
meinst du doch auch.“ Er sah Tarzan an.
„Jahhh“, dehnte Tarzan. „Ich habe
gehirnmäßig durchgespielt, wie das wohl wäre, wenn jemand vortäuscht, er wäre
Opfer eines Verbrechens, aber aus eigener Kraft entkommen. Damit will ich nicht
behaupten, daß Flori solchen Schwachsinn drauf hat. Es war nur ein
Gehirn-Flippern. Wie man eben Theorien (Gedankengebäude) abspult — in
der Kriminalogie und so.“
„Ich kenne Flori nicht“, nickte Glockner.
„Aber aus euren Aussagen setzt sich ein klares Bild zusammen.“ Er wandte sich
dem Schulleiter zu. „Von einem Unfall ist nichts bekannt. Erpresser haben sich
bis jetzt nicht gemeldet. Weder hier noch bei Florians Familie. Für ein
Verbrechen anderer Art gibt es keinen Anhaltspunkt, was aber leider nichts besagt.
Am liebsten wäre mir tatsächlich, der Junge fädelte irgendwelchen Unsinn ein,
um sich zu beweisen. Das hält uns zwar in Atem, aber für ihn bleibt es
hoffentlich ungefährlich.“
Der Direktor stöhnte und wischte sich
über die Stirn, als hätte er einen arbeitsreichen Tag hinter sich — anstelle
der geruhsamen Nacht.
Tarzan und Klößchen wurden nicht mehr
gebraucht. Sie trotteten zum Speisesaal, wo der Kampf um Buttersemmeln, Tee und
Kakao bereits in die zweite Runde ging. Klößchen erkämpfte sich seinen Anteil
mit bitterbösem Gesicht. Tarzan lauschte den wilden Vermutungen, die in der
Luft wie Wespen schwirrten. Es war nichts dabei, was er nicht selbst schon
gedacht hatte.
Draußen hob sich der Nebel — etwa in
Kirchturmhöhe. Dort blieb er. Es würde wohl ein novembergrauer Tag werden.
Deshalb holten die beiden ihre Windjacken, nachdem der Morgenschmaus beendet
war.
Klößchen klopfte sich auf den Bauch.
Aber es klang nichts mehr hohl. Tarzan hatte nur an einem Vollkornbrot
geknabbert und drei Tassen Schwarztee getrunken — ungezuckert * natürlich.
Sie holten ihre Drahtesel und radelten
stadtwärts. In den Chaussee-Bäumen der Zubringer-Straße hockten Krähen. Ihr
schwarzes Gefieder glänzte. Auf den Weiden hatten die zuständigen Bauern Jauche
ausgebreitet. Klößchen meinte, das sei Umwelt-Verstinkung.
Die Herzog-Straße, wo Oswald von
Haudegan wohnte, lag auf halbem Weg zwischen Schule und Gabys Adresse. Also
hatte man sich vor dem Haus des Bimbo-Herrchens verabredet. Tarzan und Klößchen
trafen mit dem Glockenschlag halb zehn ein. Gaby und Karl, die aus
entgegengesetzter Richtung an tanzten, folgten mit 42 Sekunden Verspätung.
Jetzt wird der Tag heller, dachte Tarzan
und meinte Gaby. Es war auch tatsächlich, als nahte der Frühlingssonnenschein
auf seinem Klapprad. Tarzan beeilte sich, seine Freundin auf die Wange zu
küssen. Klößchen grinste wie ein Scheunentor während der Heuernte. Karl lehnte
schon sein Rad an den Zaun von Nr. 11.
„Dein Vater war beim Direx“, sagte
Klößchen. „Wir wurden verhört — wegen Flori.“
„Nicht verhört“, stellte Gaby richtig. „Vernommen.
Ihr seid ja nicht angeklagt, sondern als eventuelle Zeugen erwünscht. Mich hat
Papi auch schon befragt. Hab natürlich gesagt, wie es ist. Daß Flori eine
Gemüts-Macke hat und sich am liebsten in Tollkühnheit hüllt. Weil ein
Geckenheimer das nun mal voll drauf hat.“
Tarzan sagte, in welche Richtung die
Vermutungen spaziert waren. Dann legten sie das Thema vorläufig auf Eis. Vier
Augenpaare musterten Haudegans Heimstatt. Also hier wohnte der. Niemand zeigte
sich am Fenster. Sie gingen zum Eingang und klingelten.
Im Obergeschoß erklang Basset-Gebell.
„Ist ein gutmütiger Bimbo“, sagte Gaby,
„das höre ich an den Tönen. Mal sehen, ob er mir die Pfote gibt.“
Die Tür wurde
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