Hundediebe kennen keine Gnade
Diesmal bis hinaus
in die Bahnsteighalle, wo ein Dutzend Gleise, mindestens, als Sackgasse endet.
Über allem spannt sich eine Riesenkuppel aus Stahl und Glas, und das Glas war
sehr rußig.
«Wir haben einfach kein Glück“, sagte
Karl. „„Oder seht ihr die beiden?“
«Irgendwann finden wir sie“, meinte Tarzan.
„Es ist ja erst das zweite Mal, daß wir hier nach ihnen suchen.“
Gaby hielt Oskars Leine. Er war hinter
ihr. Als sie merkte, daß er zog, wandte sie sich um.
„Beißt er?“ fragte der Junge.
„Wenn du ihn nicht beißt, hast du
nichts zu befürchten“, lachte Gaby.
Oskar beschnupperte den Kleinen. Er sah
aus wie ein Neunjähriger, hatte ein sommersprossiges Lausbuben-Gesicht und
rötliche Kraushaare. Die Cordhose und den gestopften Pullover trug er nicht
erst seit heute. Auch der Rucksack auf seinem Rücken war alt — und für einen
Erwachsenen gedacht. Allerdings enthielt der Rucksack nicht viel.
Der Junge streichelte Oskar, der sich
das gefallen ließ.
„Willst du verreisen?“ fragte Tarzan.
„Wie? Nein. Das heißt, ja. Will ich. Zu
meiner Oma. Nach... äh... Hinterbirnbach. Hoffentlich komme ich hin.“
Tarzan musterte ihn. Der Kleine sah
zwar gesund aus, aber nicht wie ein Sonntagskind. Er wirkte irgendwie traurig,
als hätte er seit Weihnachten nicht mehr gelacht.
„In Hinterbirnbach war ich mal“, sagte
Tarzan. „Der Zug braucht zwei Stunden. Fährt glatt durch. Ohne Umsteigen, also.
Was meinst du mit: Hoffentlich komme ich hin.“
Der Junge blickte zu Boden. „Es ist...
weil... Also, ich habe mein Portemonnaie verloren. Mit dem ganzen Geld drin.
Und der Fahrkarte. Ob mir der Schaffner wohl glaubt, daß ich eine Fahrkarte
hatte?“
„Nee. Das könnte ja jeder behaupten.
Gehst am besten mal zur Bahnpolizei. Fragst, ob dein Portemonnaie abgegeben
wurde. Hin und wieder trifft man noch auf ehrliche Finder. Wie heißt du denn?“
„Peter Rumpel.“
„Und bist wie alt?“
„Ich werde neun — in drei Wochen.“
Nachdenklich sah Tarzan ihn an.
Irgendwas stimmte nicht mit diesem Grundschul-Zwerg.
„Hast du Schiß, deinen Eltern zu sagen,
daß das Portemonnaie weg ist?“
Heftig schüttelte Peter den Kopf. „Nein,
nein! Gar nicht! Meine Eltern schimpfen nie. Sie sind überhaupt die besten. Ich
kann machen, was ich will. Sie freuen sich über alles. Meine Mutter ist sehr
schön, mein Vater sehr berühmt. Außerdem habe ich drei Brüder und zwei
Schwestern. Teils älter als ich, teils jünger.“
Tarzan, Gaby, Karl und Klößchen sahen
ihn an.
Nach einer Weile sagte Gaby: „Gib’s zu,
Peter! Du bist ausgerissen. Du hast dein Gelump in den Rucksack gepackt und
machst jetzt die Flatter (abhauen).“
Peter hörte auf, Oskars Kopf zu streicheln.
„Nein!“ rief er. „Ist nicht wahr. Wie
kommst du auf sowas! So, und jetzt muß ich zur Polizei. Vielleicht ist mein
Portemonnaie dort. Wiedersehen.“
Er gab Fersengeld und rannte in die
Haupthalle zurück. Sein halbleerer Rucksack flog hin und her.
„Opa boxt im Kettenhemd“, meinte Gaby
mit mißbilligendem Erstaunen. „Ich glaub’, da habe ich ins Schwarze getroffen.
Tarzan, worauf wartest du? Fang ihn ein! Siehst du nicht, daß er runterrennt zu
den Klos?“
Die Haupt-Toiletten des Hauptbahnhofs
befanden sich im Untergeschoß. Peter treppte hinab.
„Eigentlich muß ich gar nicht“, grinste
Tarzan und machte sich an die Verfolgung.
In diesem Moment sah Peter sich um,
bemerkte Tarzan und erkannte dessen Absicht. Tarzan winkte ihm,
stehenzubleiben. Aber der Kleine wieselte abwärts, als gelte es sein Leben.
Vergebliche Mühe! dachte Tarzan. Flucht
ist aussichtslos. Du sitzt in der Falle, Namensvetter. Da unten ist nur der
Lokus und kein Entkommen. Keine Hintertür und kein doppelter Boden hilft dir
weiter.
Zehn Minuten blieb Tarzan weg. Allein
kam er zurück. Kopfschüttelnd ging er zu seinen Freunden, die, um nicht Wurzeln
zu schlagen, in die Haupthalle gestiefelt waren.
„Ich glaube“, sagte Tarzan, „er hat
sich im Klo runtergespült, dieser Trebegänger (Herumtreiber) im Mini-Format.
Hab’ in jede Kabine geguckt, in jede Ecke.“
„Hat er dich also verladen, der Kleine?“
grinste Karl.
„Oder er ist schon in Hinterbirnbach“,
meinte Klößchen.
„Unsinn!“ lachte Gaby. „Der versteckt
sich irgendwo. Vielleicht hat er sich in eine Rolle Klopapier eingewickelt.“
„Man wird ihn schon auf greifen“, sagte
Tarzan.
Gaby nickte. Außerdem fror sie. Tarzan
merkte das und legte beide Arme
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