Hundert Facetten des Mr. Diamonds, Band 4: Glitzernd (German Edition)
kommt mit solchen Situationen am besten klar. Aber was soll ich ihr sagen? „Ich habe dich heute Abend versetzt, aber er hat mich gerade rausgeworfen, treffen wir uns jetzt?“ Silas? „Dein idiotischer Bruder hat mich rausgeschmissen, vergiss deine Krankenschwester, gehen wir etwas trinken!“ Émilie? „Ich habe mich um 17:00 wie eine Diebin aus dem Büro geschlichen, aber ich habe keine Ahnung, was ich bis Montagmorgen tun soll …“ Camille? „Du hast einen nichtsnutzigen Ehemann und ein anstrengendes Baby, was hältst du davon, dass du jetzt auch noch eine debile Schwester hast?“ Meine Eltern? „Ich komme nicht oft zu euch auf Besuch, aber ich wäre jetzt gerade gerne wieder 4 Jahre alt und möchte mich von euch umsorgen lassen, ohne dass ihr mir Fragen stellt.“
In meinem Kopf ist die Liste der Leute, die mir nahe stehen, zu Ende und ich fühle mich furchtbar allein.
An der Leere, die dich umgibt, bist nur du allein schuld, Amandine. Wegen der schönen Augen von Gabriel. Und deine Augen heulst du dir wegen ihm aus.
Ich schleiche nach Hause und pflanze mich vor den Fernseher. Ich sehe nicht einmal hin, aber die Stimmen und die Bilder, die mein Wohnzimmer erleuchten, leisten mir wenigstens Gesellschaft. Wie ferngesteuert drehe ich meinen Laptop auf dem Couchtisch auf, ohne wirklich zu wissen, was ich dann damit anfangen soll. Ich werde mich wohl irgendwie beschäftigen. In meiner Mailbox befinden sich sechs ungelesene Nachrichten – alle von Gabriel. Ich öffne sie in chronologischer Reihenfolge.
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Von: Gabriel Diamonds
An: Amandine Baumann
Betreff: Auftrag
Fräulein Baumann,
Sie haben mein Angebot ausgeschlagen, ohne zu zögern. Es liegt nun an Ihnen, diesen letzten und einzigen Auftrag durchzuführen: Ich überlasse Ihnen die Auswahl, die Sie hoffentlich mit derselben Überzeugung treffen, wer Sie für diesen Posten ersetzen soll.
Nachfolgend übermittle ich Ihnen dazu die fünf aussichtsreichsten Bewerbungen. Ich benötige Ihre endgültige Entscheidung morgen zu frühster Stunde.
Mit freundlichen Grüßen,
G.D.
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Mit freundlichen Grüßen? Letzter und einziger Auftrag? Zu frühster Stunde? Er macht sich über mich lustig!
Während ich im Geiste eine Antwort vorbereite, die seinem bösartigen Vorschlag gerecht wird, klicke ich aus Neugier auf die fünf folgenden Mails. Beim Durchlesen der Lebensläufe flippe ich noch mehr aus: Solveig, die große blonde Dänin, die fünf Sprachen spricht, Abigael, die vulgäre Amerikanerin mit riesigen Brüsten, dicken Lippen und geringer Berufserfahrung, Diane, die piekfeine kleine Französin mit unzähligen Diplomen, die seinen Eltern wohl besonders gefallen würde, Eve, die über und über tätowierte und gepiercte Londonerin, die ihre Offenheit betont, und Paloma, die Latinobombe aus Uruguay, die als eines ihrer Hobbys „Massagen“ angibt. Ich glaube, ich träume. Ich kann mir keine einzige dieser Nymphomaninnen als persönliche Assistentin von Gabriel, 24 Stunden am Tag, vorstellen, das übersteigt meine Kräfte. Ich schließe sofort die berührungsfreudige Paloma aus, danach Abigael, die aus dem gleichen Land stammt wie er, und Diane, die mir zu gut erscheint (oder zumindest besser als ich). Übrig bleiben die kühle nordische Schönheit (ich weiß, dass er keine Blondinen mag) und der kleine Punk mit roten Haaren (der ihn wohl ziemlich kalt lassen würde, wie ich meine). Laut den Unterlagen ist die erste die kompetenteste, doch als ich die Namen auf Google suche, scheint die andere sich für die Schwulen- und Lesbenbewegung in London einzusetzen. Und wenn man sich die Fotos ansieht, scheint sie sich nicht nur für sie einzusetzen … Ich habe mich entschieden.
Das ist eine Falle, Amandine, pass auf!
Egal. Ich schicke eine kurz angebundene Antwort an Gabriel und empfehle ihm, sich für Eve Miller zu entscheiden, ohne eine Begründung zu nennen. Er antwortet unmittelbar danach, dass ihn meine Wahl nicht überrascht, und führt die Adresse eines Apartments im Pariser Stadtteil Marais an, das er wegen seines geschäftlichen Aufenthalts gemietet hat. Dorthin kann ich mich jederzeit begeben, wenn ich Lust auf „Privates“ verspüre. Ich verfluche ihn. Ich lese seine Antwort das ganze Wochenende über immer und immer wieder, stelle mir vor, wie er seine neue Assistentin zum ersten Mal trifft, gehe rastlos in meiner Wohnung auf und ab und beschließe, zu ihm zu fahren, um schon an meiner Türe wieder den Mut dazu zu verlieren … Es
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