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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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Sonnenkrieg geplant hatte, fand Ursula sich in ihrem Eindruck bestätigt, daß die Zeit im Kreise lief. Doch im Gegensatz zu seinem Großvater verlor Aureliano Triste weder den Schlaf noch den Appetit, auch quälte er niemanden mit Anfällen von Übellaunigkeit, sondern arbeitete die gewagtesten Projekte als greifbare Möglichkeiten aus, stellte rationelle Berechnungen über Kosten und Lieferzeiten an und führte sie unbeirrt zu Ende. Aureliano Segundo, dem etwas vom Urgroßvater anhaftete und etwas vom Oberst Aureliano Buendía fehlte, war gegen Schlappen völlig unempfindlich; so stellte er Geldmittel für den Bau der Eisenbahn mit der gleichen Leichtfertigkeit zur Verfügung, mit der er die unsinnige Schiffahrtsgesellschaft seines Bruders finanziert hatte. Aureliano Triste befragte den Kalender und reiste am darauffolgenden Mittwoch ab, um nach der Regenzeit zurückzusein. Dann hörte man nichts mehr von ihm. Frohlockend über die Gewinne der Fabrik hatte Aureliano Centeno mittlerweile die Herstellung von Eis auf der Grundlage von Fruchtsäften statt Wasser erprobt und erfand auf diese Weise unbeabsichtigt und unwillkürlich das Speiseeis mit dem Gedanken, auf diese Weise die Produktion einer Fabrik, die er für seinen Besitz hielt, zu erweitern, da sein Bruder weder nach der Regenzeit auftauchte noch den ganzen Sommer hindurch ein Lebenszeichen von sich gab. Zu Beginn des anschließenden Winters jedoch kam ein Weib, das in der Stunde der schlimmsten Hitze Wäsche im Fluß wusch, höchst aufgeregt und laut zeternd durch die Hauptstraße gerannt.
    »Da kommt was Unheimliches«, stieß sie mühsam hervor, »so was wie eine Küche, die ein Dorf hinterdrein schleppt.«
    In diesem Augenblick erzitterte das Dorf von weithin hallenden Pfiffen und ungeahntem Zischen. Zwar hatte man in den vorangegangenen Wochen beobachtet, wie Arbeitstrupps Schwellen und Schienen legten, doch hatte sich niemand darum gekümmert, weil man das Ganze für eine neue Erfindung der Zigeuner hielt, die wieder einmal mit ihrem ach so veralteten und verachteten Pfeifen- und Paukenkonzert ein weiß Gott wie wunderwirkendes Gebräu der Djalalis aus Djalalaibad anzupreisen gedachten. Als sie sich aber von dem betäubenden Pfeifen und Keuchen erholt hatten, liefen alle Einwohner auf die Gassen hinaus und sahen Aureliano Triste von der Lokomotive aus winken, sahen gebannt den blumengeschmückten Zug, der zum erstenmal mit acht Monaten Verspätung eintraf. Der unschuldige gelbe Zug, der so viele Unsicherheiten und Handgreiflichkeiten, so viele Verheißungen und Mißgeschicke und so viele Veränderungen, Verhängnisse und Sehnsüchte nach Macondo bringen sollte.
     

 
     
     
     
     
     
    Betört von so vielen, so wundervollen Erfindungen, wußten die Leute von Macondo nicht, wo sie mit Staunen beginnen sollten. So verbrachten sie schlaflose Nächte beim Begaffen der von einer Lichtanlage gespeisten bleichen elektrischen Glühlampe, ein Mitbringsel Aurelianos bei der zweiten Fahrt des Zuges, an dessen aufsässiges Gepuffe man sich nur schwer gewöhnte. Sie empörten sich über die lebenden Bilder, die der wohlhabende Kaufmann Don Bruno Crespi in dem Theater mit den Löwenrachen vorführte, weil eine in einem Filmstreifen verstorbene und beerdigte Figur, über deren Unglück sie kummervolle Tränen vergossen, im nächsten Film quietschlebendig als Araber auferstand. Das Publikum, das zwei Centavos zahlte, um die Schicksalsschläge der Personen zu teilen, ertrug nicht den unerhörten Spott und zertrampelte die Kassenloge. So erläuterte denn der Bürgermeister auf Don Bruno Crespis Drängen in einer Bekanntmachung, das Kino sei eine Illusionsmaschine, die keinen leidenschaftlichen Überschwang der Zuschauer verdiene. Angesichts dieser entmutigenden Erklärung vermuteten viele, sie seien Opfer eines neuaufgelegten Zigeunerschwindels geworden, so daß sie beschlossen, fortan das Kino zu meiden, da sie bereits genügend mit eigenen Sorgen gesegnet waren, um noch geheucheltes Mißgeschick von Phantasiegeschöpfen beweinen zu können. Ähnliches geschah mit den Zylindergrammophonen, die Frankreichs fröhliche Matronen als Ersatz für die altmodischen Drehorgeln herbeischleiften und die der Musikkapelle eine Zeitlang erheblichen Abbruch tun sollten. Zunächst vermehrte die Neugier die Kundschaft der verbotenen Straßen ums Vielfache, und man wußte sogar von respektablen Damen, die sich als Dorfleute verkleideren, um die Neuigkeit des Grammophons aus der Nähe

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