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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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Landmesser ein, die mehrere Wochen hindurch dieselben Gegenden erkundeten, in denen Mr. Herbert Schmetterlinge gejagt hatte. Später traf Señor Jack Brown in einem Anhänger des gelben Eisenbahnzuges ein, ganz mit Silberplatten verschalt, mit Sesseln aus bischöflichem Samt ausgestattet und mit einem blauen Glasdach versehen. Mit diesem Sonderwagen kamen gleichfalls, Señor Brown umschwänzelnd, die feierlichen schwarzgekleideten Rechtsanwälte, die in früherer Zeit Oberst Aureliano Buendía allerwärts begleitet hatten, und dies ließ die Dorfbewohner vermuten, die Agronomen, die Hydrologen, Topographen und Landvermesser, dazu Mr. Herbert mit seinen Fesselballons und seinen bunten Faltern wie auch Señor Brown mit seinem fahrenden Mausoleum und seinen wütenden deutschen Doggen hätten etwas mit dem Krieg zu tun. Freilich blieb nicht viel Zeit zu Vermutungen, da die argwöhnischen Einwohner von Macondo sich noch immer fragten, was zum Teufel los sei, als ihr Dorf sich bereits in ein Lager aus blechgedeckten Holzhäusern verwandelt hatte, bewohnt von Fremden, die aus der halben Welt im Zug angereist kamen, nicht nur auf den Sitzen und Plattformen des Zuges, sondern auch auf dem Dach der Wagen. Die Grünhörner, die später ihre schmachtenden Frauen in Musselinkleidern und riesigen Gazehüten mitbrachten, errichteten ein besonderes Dorf auf der anderen Seite des Schienenstrangs mit palmengesäumten Straßen, Häusern mit eisernen Gitterfenstern, mit weißen Tischchen auf den Terrassen, mit Ventilatoren an der Decke und weiten blauen Rasenflächen mit Pfauen und Wachteln. Dieser Teil war wie ein riesiger Hühnerstall von einem elektrisch geladenen Zaun umgeben, der in den kühlen Sommermonaten schwarz von gebratenen Tauben erwachte. Noch wußte niemand, was sie suchten oder ob sie in Wirklichkeit nur Philanthropen waren, und doch hatten sie bereits einen mächtigen Wirbel verursacht, und der war zwar verwirrender als einst der der alten Zigeuner, dafür aber weniger vorübergehend und verständlich. Mit Hilfsmitteln begabt, die in früherer Zeit der göttlichen Vorsehung vorbehalten waren, veränderten sie die Regenzeiten, beschleunigten den Kreislauf der Ernten, lenkten den Fluß aus seinem uralten Bett ab und verlegten ihn mit seinen weißen Kieselsteinen und seinem eiskalten Gefalle ans andere Ende des Dorfes, hinter den Friedhof. Bei dieser Gelegenheit errichteten sie auch eine Betonfeste auf dem verblaßten Grab José Arcadios, damit der Pulvergestank des Leichnams nicht das Wasser vergiftete. Für die Fremden, die ohne Liebschaften ankommen sollten, verwandelten sie die Straße von Frankreichs liebreichen Matronen in ein noch ausgedehnteres Dorf als das andere, und eines ruhmreichen Mittwochs lief ein Zug ein, beladen mit den unwahrscheinlichsten Huren, mit babylonischen, in unvordenklichen Künsten bewanderten Weibchen, ausgerüstet mit allen Arten von Salben und Reizmitteln zur Belebung Schwachbewehrter, zur Entspannung Verklemmter, zur Sättigung Heißhungriger, zur Aufreizung Bescheidener, zur Züchtigung Vielseitiger und zur Besserung Vereinsamter. Die Türkenstraße, bereichert mit leuchtenden Kolonialwarenläden, welche die alten bunten Bazare verdrängt hatten, wimmelte samstags abends von einem Strom von Abenteurern, die sich zwischen den Spieltischen drängten, den Schießständen, dem Gäßchen, wo Zukunft prophezeit und Träume gedeutet wurden, den Tischen mit Spritzgebackenem und Trinkbarem — und das lag sonntags früh auf dem Boden verstreut zwischen Leibern, die mitunter glückseligen Trunkenbolden gehörten und fast immer Gaffern, die von Schüssen, Faustschlägen, Messerstichen oder Flaschenhieben Rauflustiger niedergestreckt worden waren. Es war eine so stürmische, unzeitgemäße Invasion, daß man in der ersten Zeit überhaupt nicht auf die Straße gehen konnte wegen all der im Wege stehenden Möbel und Truhen, wegen des Betriebs der Zimmerleute, die ihre Häuser ohne jede Erlaubnis auf jedwedem freien Gelände zusammenhämmerten, wegen des Ärgernisses der Liebespaare, die ihre Hängematten zwischen den Mandelbäumen aufspannten und unter dem Sonnenzelt vor den Augen aller die Liebe betrieben. Den einzigen stillen Winkel schufen die friedlichen antillischen Neger, die eine Seitenstraße anlegten mit Pfahlbauten, vor deren Türen hockend sie gegen Abend schwermütige Choräle in ihrem verworrenen Kauderwelsch sangen. So viele Veränderungen geschahen in so kurzer Zeit, daß acht Monate

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