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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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Aureliano Segundo, überzeugt, daß die Zeit dieses feindliche Stacheldrahtnetz niederreißen würde, verlängerte das Hochzeitsfest über den vorgeschriebenen Termin hinaus. Erschöpft von der Bürde, dauernd leere Kognak- und Champagnerflaschen in den Müll werfen zu müssen, damit sie nicht das Haus vollstopften, und gleichzeitig neugierig geworden, weil die Jungvermählten zu verschiedenen Zeiten und in getrennten Zimmern schliefen, während weiterhin Feuerwerk krachte, Musik ertönte und viel geopfert wurde, besann Ursula sich auf ihre eigenen Erfahrungen und fragte sich, ob Fernanda nicht vielleicht auch einen Keuschheitsgürtel trage, der früher oder später den Spott des Dorfes hervorrufen und eine Tragödie auslösen könne. Doch Fernanda gestand, sie lasse lediglich zwei Wochen verstreichen, bevor sie die erste Berührung mit ihrem Gatten zulasse. Nach beendetem Termin öffnete sie denn auch die Türe ihres Schlafzimmers entsagungsvoll wie bei einem Sühneopfer, und Aureliano Segundo sah die schönste Frau der Erde mit ihren gloriosen Augen eines erschrockenen Tieres und ihr über das Kopfkissen gebreitetes langes kupferfarbenes Haar. Hingerissen von dem Anblick, gewahrte er erst nach einer Weile, daß Fernanda ein knöchellanges weißes Nachthemd trug mit handgelenklangen Ärmeln und einem großen, runden, kostbar umsäumten Knopfloch in Bauchhöhe. Aureliano Segundo konnte sich eines Lachanfalls nicht erwehren.
    »Das ist das Obszönste, was ich in meinem Leben gesehen habe«, schrie er mit einer Lachsalve, die durchs Haus dröhnte. »Ich habe ein Schwesterchen der Nächstenliebe geheiratet.«
    Als er einen Monat später nicht erreicht hatte, daß seine Frau das Nachthemd auszog, ließ er Petra Cotes im Königinnenstaat malen. Später, als er Fernanda zur Rückkehr ins Haus bewegen konnte, gab sie im Fieber der Versöhnung seinem Drängen nach, verstand ihm jedoch nie die Ruhe zu verschaffen, von der er geträumt hatte, als er sie in der Stadt mit den zweiunddreißig Glockentürmen suchte. Aureliano Segundo fand in ihr nichts als ein tiefes Gefühl der Trostlosigkeit. Eines Nachts, kurz bevor ihr erster Sohn geboren wurde, merkte Fernanda, daß ihr Mann heimlich zu Petra Cotes' Bett zurückgekehrt war.
    »Das stimmt«, gab er zu. Und erklärte im Ton niedergeschlagener Resignation, er habe es tun müssen, damit die Tiere weiterhin würfen.
    . Er brauchte eine Zeitlang, um sie von der Notwendigkeit einer so ausgefallenen Maßnahme zu überzeugen, doch als es ihm zuletzt anhand von anscheinend unwiderleglichen Beweisen glückte, war das einzige Versprechen, das Fernanda ihm abzwang, daß er sich nicht vom Tod im Bett seiner Konkubine überraschen lasse. So lebten denn die drei ungestört weiter: Aureliano Segundo pünktlich und liebevoll mit beiden; Petra Cotes stolzgebläht über die Versöhnung; und Fernanda heuchelnd, sie wisse von nichts.
    Der Pakt führte jedoch nicht dazu, daß Fernanda sich der Familie fügte. Vergebens bestand Ursula darauf, daß sie den wollenen Busenstreif ablegte, mit dem sie aufstand, wenn sie geliebt worden war, und der das Getuschel der Nachbarn hervorrief. Sie brachte sie nicht dazu, daß sie das Badezimmer benutzte oder den Nachttopf oder daß sie das goldene Nachtgeschirr an Oberst Aureliano Buendía verkaufte, damit er goldene Fischchen daraus schmiedete. Amaranta fühlte sich von ihrer gezierten Aussprache und von ihrer Gewohnheit, jedes Ding zu beschönigen, so angewidert, daß sie vor ihr immer Kauderwelsch sprach.
    »Diefisefe«, sagte sie, »gefehörtfe zufu defenenfen diefi sichfi vorfo ihfirerfer eifeigenfenenfen Scheifeissefe efekelnfen.«
    Eines Tages wollte Fernanda, verärgert über die Spötterei, wissen, was Amaranta da sage, und diese beschönigte ihre Antwort nicht.
    »Ich sage«, sagte sie, »daß du zu denen gehörst, die den Arsch mit der Stirn verwechseln.«
    Von jenem Tag an tauschten sie kein Wort mehr miteinander. Wenn es die Umstände erforderten, schickten sie einander Nachrichten oder sagten sich die Dinge mittelbar. Trotz der sichtbaren Feindseligkeit der Familie verzichtete Fernanda nicht auf den Wunsch, die Sitten ihrer Ahnen einzuführen. Sie machte Schluß mit dem Brauch, in der Küche zu essen und wenn immer man Hunger hatte, und führte Pflichtmahlzeiten zu bestimmten Stunden an dem mit Leinen, Kandelabern und silbernem Besteck gedeckten Tisch des Eßzimmers ein. Die Feierlichkeit einer Handlung, die Ursula stets als die schlichteste des

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