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Hundert Namen: Roman (German Edition)

Hundert Namen: Roman (German Edition)

Titel: Hundert Namen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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nicht, ich überstehe diesen Tag nicht. Aber ich hab ihn überstanden. Irgendwie. Und dann war dieser Tag vorbei, und ich hatte die Nacht vor mir, und ich habe mir gesagt: Ich überstehe diese Nacht nicht, unmöglich. Aber ich habe sie überstanden. Irgendwie. Und dann war die Nacht vorbei. Seither habe ich mir jeden Tag und jede Nacht das Gleiche gesagt, jede Sekunde ist eine Quälerei, als würde sie nie vergehen und als würde es niemals leichter werden, und doch – wenn ich zurückblicke, schau, wo wir jetzt sind. Zwei Wochen sind vergangen. Und ich habe sie überstanden. Obwohl ich immer noch glaube, dass ich es schlicht nicht kann.«
    Kittys Augen füllten sich mit Tränen.
    »Ich habe erwartet, die Welt würde untergehen, wenn sie stirbt«, fuhr er fort und nahm Kitty eine Flasche aus der Hand, die er flink mit dem Korkenzieher öffnete, der auf dem Beistelltischchen neben dem Kreuzworträtsel aus der Irish Times , einem Kuli und Bobs Lesebrille lag. »Aber die Welt dreht sich weiter. Alles geht seinen Gang, völlig unbeirrt. Manchmal mache ich einen Spaziergang, und dann merke ich plötzlich, dass ich stehen geblieben bin, aber alles andere um mich herum ist immer noch in Bewegung. Dann frage ich mich: Wissen die es nicht? Wissen die nicht, was Schreckliches passiert ist?«
    »Ich weiß, wie du dich fühlst«, sagte Kitty leise.
    »Es gibt gute Witwer und schlechte Witwer. Man hört die ganze Zeit nur über die guten. Himmel, ist Soundso nicht großartig? So stark ist er, so tapfer! Dass er dieses und jenes schon so früh wieder hinkriegt! Ich bin kein guter Witwer, Kitty. Ich möchte überhaupt nichts tun. Ich möchte nirgendwohin. Die meiste Zeit möchte ich nicht mal da sein, aber das soll man ja nicht sagen, stimmt’s? Man soll ja nur erkenntnisreiche Dinge von sich geben, die andere Leute zum Staunen bringen, damit sie all ihren Bekannten erzählen können, wie tapfer man ist. Tapfer«, wiederholte er, und nun traten auch ihm Tränen in die Augen. »Aber ich war nie der Tapfere, und warum ich ausgerechnet jetzt damit anfangen soll, übersteigt meine Vorstellungskraft.« Bob griff nach der zweiten Flasche Wein, öffnete sie, flink und geschickt, und reichte sie Kitty zurück. »Ich weiß nicht, wo wir die Gläser versteckt haben«, sagte er und ließ seine Flasche an ihre klirren. »Auf … auf irgendwas.«
    »Auf unsere geliebte Constance«, sagte Kitty, hob die Flasche an die Lippen und trank. Der warme Rotwein brannte in ihrer Kehle, hinterließ aber eine köstlich süße Wärme in ihrem Mund. Rasch nahm sie noch einen Schluck.
    »Auf unsere geliebte Constance«, wiederholte Bob und studierte nachdenklich die Flasche.
    »Und darauf, die Nacht zu überstehen«, fügte Kitty hinzu.
    »Ja, darauf trinke ich«, sagte er und hob die Flasche in die Luft. »Darauf, die Nacht zu überstehen.«
    Eine Weile saßen sie in freundschaftlich entspanntem Schweigen da, während Kitty überlegte, wie sie das Thema anschneiden sollte, weshalb sie hier war, aber Bob kam ihr zuvor. »Ich spüre, dass du Probleme mit der Geschichte hast.«
    »Das ist eine Untertreibung«, seufzte Kitty und trank noch einen Schluck. »Es tut mir leid, es zugeben zu müssen, Bob, aber ich weiß überhaupt nicht mehr weiter. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Pete erwartet meinen Artikel am Freitag, das heißt, da will er zumindest wissen, worum es in dem Artikel gehen soll, und, na ja, wenn ich das nicht rauskriege, muss ich hingehen und ihm sagen, es gibt gar keine Geschichte und ich habe den gesamten Constance-Tribut ruiniert. Schon wieder ein Versagen meinerseits.« Erneut kämpfte sie mit den Tränen, schuldbewusst und frustriert.
    »Ah. Tja, vielleicht gibt es etwas, womit ich dir helfen kann«, sagte Bob, trotz der schlechten Nachricht freundlich wie immer. »Über die Namen weiß ich leider nicht mehr als du, und nachdem du jetzt eine Woche lang Recherche betrieben hast, weiß ich genaugenommen sogar weniger, aber ich kann dir – Constance möge es mir erlauben – eine Lektion in Constance erteilen.« Er sah nach oben ins Licht, und seine Augen glänzten, als er sie sich ins Gedächtnis rief. »Erinnerst du dich an diesen grässlichen Mordfall in der Ailesbury Road vor ungefähr fünfzehn Jahren, bei dem dieser schwerreiche Unternehmer verdächtigt wurde, seine Frau mit einem seltsamen Reinigungsutensil erschlagen zu haben?« Kitty schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich bist du zu jung, um es mitgekriegt zu haben,

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