Hundert Namen: Roman (German Edition)
unglaublich stolz auf dich, aber du solltest der Welt mitteilen, was du entdeckt hast. Die Einladung, bei der Tagung darüber zu sprechen, ist eine große Ehre und außerdem eine Bestätigung, dass deine Studien bemerkenswert sind. Diese Konferenz ist deine große Chance, und das weißt du auch. Schließlich findet nicht jeden Tag so ein Symposium in Irland statt, nicht mal jedes Jahr.« Nun ging es um das Geheimnis, das nicht ganz so geheim war, nämlich um die bevorstehende wissenschaftliche Tagung an der Cork University, die dieses Jahr von Sir David Attenborough, dem Präsidenten des Schmetterlingsschutzbundes, eröffnet werden sollte. Es würde Vorträge über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Schutz bedrohter Schmetterlings- und Nachtfalterarten und die Erhaltung ihrer Lebensräume geben, außerdem bot das Symposium Forschern aus aller Welt die Chance, Referate über praktische Artenschutzarbeit zu halten. Der Fokus lag auf den Herausforderungen der Zukunft, vor allem auch den Auswirkungen des Klimawandels. Ambrose gehörte zu den Experten, die eingeladen worden waren, einen Vortrag über ihre Arbeit zu halten, und Eugene hatte an ihrer Stelle zugesagt – was sie natürlich sehr verärgert hatte, aber dieser Streit war an einem anderen Tag ausgefochten worden. Ob Ambrose sich nun überwinden und an der Konferenz teilnehmen würde, war zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärt, aber Eugene hatte nicht vor, aufzugeben.
»Du hast es ihr also absichtlich erzählt«, fauchte Ambrose, mit heißem Gesicht, funkelnden Augen, das grüne lodernd, das andere mattbraun, aber ebenso einschüchternd. »Um mich zu zwingen, zu dieser Konferenz zu fahren. Wenn sie etwas darüber schreibt, dann muss ich es ja wohl oder übel machen. Ist das dein Plan?«
»Ich glaube, dass die Welt von deiner Arbeit erfahren sollte«, erwiderte Eugene fest und bemühte sich, nicht zu stottern. »Ich bezweifle, dass sonst irgendjemand auf der Welt das Pfauenauge so intensiv studiert hat wie du. Du hast die Daten, du hast die Erfahrung. Warum hast du fünf Jahre geforscht und einen Bericht darüber geschrieben, wenn du deine Ergebnisse niemandem zeigen willst?« Auf einmal merkte er, dass seine Stimme immer lauter wurde. Ambrose sah ihn verwundert an. Vielleicht sogar ein bisschen amüsiert.
»Du hast ihr gesagt, dass ich nach Cork fahre, und jetzt will sie mitkommen«, maulte sie trotzdem weiter.
»Ich korrigiere: Sie will, dass wir mit ihr mitkommen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Du wirst es bald verstehen. Sie kommt ja gleich, um mit dir zu sprechen und den Nachmittag mit dir zu verbringen.«
Im gleichen Moment klingelte es an der Tür.
»Das ist sie bestimmt«, sagte Eugene. Noch etwas zittrig von der anstrengenden Konfrontation stand er auf und ließ Ambrose mit offenem Mund sitzen. Hastig fummelte sie ihre Haare aus der Spange und versteckte ihr Gesicht.
Er holte tief Luft und lächelte schon, ehe er die Tür aufmachte. »Ah, Ms Logan, freut mich sehr, Sie zu sehen. Kommen Sie doch bitte rein.«
»Sie bindet sich also die Haare zusammen, wenn sie mit Ihnen zusammen ist«, sagte Kitty zu Eugene, als die Interview-Sitzung mit Ambrose vorbei war. Die seltsame Frau faszinierte sie immer mehr.
Überrascht blickte Eugene von dem Papierkram auf, den er gerade in seinem winzigen Büro erledigte. »Hat sie Ihnen das erzählt?«
»Nein, aber ich hab Sie beide durchs Fenster gesehen, bevor ich geklingelt habe.« Was man natürlich auch verstehen konnte als: ›Ich hab rumgeschnüffelt, bevor ich geklingelt habe.‹
»Oh«, meinte er. »Na, dann muss ich wohl nichts weiter dazu sagen.«
»Darüber werde ich selbstverständlich nicht schreiben«, versprach Kitty und lehnte sich an den Türrahmen. Eugene kam sich vor wie eingesperrt. »Aber es muss doch schön für Sie sein, das zu wissen.«
»Schön? Warum sollte das schön sein?«, fragte er und fingerte an seinen Papieren herum. Seine Wangen röteten sich, die Hitze wanderte den Hals hinunter und staute sich an seiner Fliege.
»Weil sie sich bei Ihnen offensichtlich wohlfühlt.« Kitty lächelte und sah, wie Eugenes Mundwinkel zuckten, während er darüber nachdachte.
»Hmm, so hab ich das noch nie gesehen. Ich meine, das ist kein Grund, das ist kein, sie ist nicht, wir sind nicht …«, stammelte er, unfähig, den Satz zu beenden.
»Dann sehen wir uns also morgen Nachmittag«, sagte Kitty, ohne darauf einzugehen.
»Hat sie gesagt, dass sie mitkommt?«
»Nein, aber
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