Hundert Namen: Roman (German Edition)
war, die Namen einfach zusammenzuwerfen, was, wenn ihr Ansatz falsch war und damit auch ihr ganzer Aktionsplan? Sie hatte eine Verpflichtung nicht nur Constance, sondern auch Bob gegenüber, sie musste es richtig machen. Pete war ihr inzwischen egal. Er würde einfach ein bisschen von Constances Zuversicht und Mut aufbringen und seiner Autorin vertrauen müssen. Denn Kitty glaubte daran, dass sie wusste, was sie tat, sie folgte endlich wieder ihrem Instinkt und reagierte nicht mehr nur auf die Einfälle anderer. Wenn diese ganze schwierige Phase nur diesen einen Erfolg hatte, war das eigentlich schon ein Grund zu feiern. Sie hatte wieder das Selbstbewusstsein gefunden, auf sich zu hören. Aber sie hatte immer noch Angst, dass sie einem falschen Instinkt gefolgt war und dass dieser Ausflug in einem Desaster endete.
So lag sie im Bett, ließ den Blick durch ihre in bläuliches Mondlicht getauchte Wohnung schweifen und dachte plötzlich daran, dass sie bald ausziehen musste. Fünf Jahre hatte sie hier allein gewohnt, dann noch die vier Monate mit Glen. Sie liebte ihre Wohnung, sie wollte nicht weg. Sie hatte das Glück gehabt, sie zu finden, war frech genug gewesen, den Vermieter so unter Druck zu setzen, dass er ihr einen Mietnachlass gab, aber jetzt hatte sie die Quittung für ihre Unverschämtheit bekommen. Sie wurde vor die Tür gesetzt. Beim Gedanken an ihre unsichere Zukunft war sie endgültig hellwach. Sie warf die Decke zurück und begann hektisch zu packen, voller Angst vor dem bevorstehenden Ausflug, voller Angst vor der Zukunft. Um halb vier waren alle ihre Klamotten in Koffer gepackt, um vier war sie fest eingeschlafen und träumte von ihrem Abenteuer mit sechs ihrer hundert Namen.
Der Plan war, dass Kitty Birdie mit dem Taxi am Altenheim abholen sollte. Der Schreckschraube Bernadette hatten sie erklärt, dass sie Birdie zu ihrer Familie brachte, wo die alte Dame auch übernachten würde. Pünktlich wie die Maurer kehrten die Oldtown Pistols zurück, gut gelaunt und in Feierstimmung, weil sie die Balbriggan Eagles wieder einmal besiegt hatten. Während ihrer Schicht hatte Molly veranlasst, dass der Bus gewartet wurde, indem sie die Behauptung in die Welt setzte, sie hätte ein verdächtiges Geräusch gehört, das auch einem der »Pistols« aufgefallen wäre, der außerdem auch noch einen seltsamen Geruch wahrgenommen hätte. Die Schwestern nahmen diesen Hinweis sehr ernst und stimmten sofort zu, dass Molly den Bus zu einem Check-up in die Werkstatt von Billy Meaghar, einem Mann aus dem Ort, bringen sollte, mit der strikten Auflage, dass er bis zum Bridge-Abend der Pink Ladies wieder da war. Für ein Schmiergeld von fünfzig Euro hatte Billy sich bereiterklärt, Molly den Bus zu überlassen, wenn sie ihn rechtzeitig wieder bei ihm ablieferte, dass er ihn am folgenden Tag zum Altenheim zurückbringen konnte.
So weit, so gut.
Nun warteten Birdie und Kitty etwas nervös im Oldtown Café auf Molly und den Bus, beide in Sorge, dass Bernadette ihren Plan doch noch durchkreuzen könnte.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Kitty und stolperte noch etwas über das ungewohnte Du.
»Was den Bus angeht?«, fragte Birdie zurück.
»Nein, mit dem Ausflug.« Kitty lächelte. »Mit dem Nachhausekommen.«
Birdie seufzte lang und tief, und Kitty konnte nicht beurteilen, ob es ein zufriedenes Seufzen oder ein besorgtes oder vielleicht eine Mischung aus beidem war.
»Ich bin aufgeregt, das schon. Seit ich nach Dublin gezogen bin, war ich nur ein einziges Mal dort, zur Beerdigung meines Vaters, und das ist vierzig Jahre her. Unser Ausflug jetzt hat mich nachdenklich gemacht. Wirklich seltsam, dass ich allein bei dem Gedanken, zurückzufahren, gleich so in Erinnerungen versinke …« Sie verstummte, als würde sie sich wieder im Netz der Gedanken an vergangene Zeiten verlieren. »Es gibt so vieles, woran ich mich erinnere und was ich zwischenzeitlich völlig vergessen hatte.«
»Ist es denn auch wirklich okay für dich, wenn ich die anderen auf den Ausflug mitnehme? Ich weiß, es ist eine sehr persönliche Angelegenheit für dich.«
»Kitty, ich bin sehr glücklich, diese Menschen kennenzulernen«, lächelte Birdie. »Es interessiert mich, wer außer mir sonst noch auf der Liste stand.«
»Interessieren ist auch ein Wort dafür.« Kitty lachte nervös.
»Du hast es herausgefunden, stimmt’s?«, fragte Birdie. »Was es ist, das uns alle miteinander verbindet.«
»Ja«, antwortete Kitty. »Ich glaube schon.« Aber sie
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