Hundert Namen: Roman (German Edition)
hättest mich beim Fremdgehen erwischt. Das hat ihn wahnsinnig gefreut.«
Steves Gesicht wurde hart. »Dieses Arschloch. Ich könnte ihm sofort noch mal die Fresse polieren.«
Seine Reaktion überraschte Kitty. So war Steve doch gar nicht, er war kein aggressiver Typ. Er war auch nicht weich, aber als erste Verteidigungsmaßnahme zog er sich meist aus einer Situation zurück, und eigentlich brachte ihn niemand so in Rage, dass er zuschlagen wollte.
»Na ja … du hast es einmal gemacht, und das weiß ich zu schätzen.«
»Genaugenommen zweimal«, verbesserte er grinsend. »Hab mir fast die Finger gebrochen.« Er hob die Hand, und jetzt erst sah Kitty die violette Schwellung auf den Knöcheln.
»Oh, Steve, das tut mir leid!« Sie trat auf ihn zu und wollte seine Hand berühren, aber er zog sie schnell weg, wieder ganz der Alte.
»Schon gut, keine große Sache.«
»Ich dachte, du sprichst nicht mit mir.«
Er sah sie verwirrt an.
»Weil du neulich einfach aufgelegt hast, hab ich gedacht, du bist wütend auf mich. Wegen dem Artikel in der Sonntagszeitung. Weil ich wieder mal alles vermasselt habe.«
»Nein, nein, Kitty, nein«, widersprach er. »Überhaupt nicht. Ich war schon wütend, ich war sogar stinksauer, aber auf ihn. Warum sollte ich denn auf dich wütend sein?«
Sie zuckte die Achseln und sah sich um. Auf einmal fühlte sie sich so verletzlich in seiner Gegenwart, auf einmal wollte sie ihm so gern gefallen, auf einmal war sie so … nein! So konnte sie sich doch nicht fühlen, nicht bei Steve!
»Wie geht es dir überhaupt – wie läuft es mit deinem Artikel?«
»Ich bin total begeistert«, antwortete Kitty überschwänglich und schob ihre seltsamen Gefühle erst einmal beiseite.
Er lachte.
»Ich habe die erstaunlichsten Menschen kennengelernt und kann es gar nicht erwarten, dir davon zu erzählen.«
»Klingt gut«, meinte er. »Als wärst du wieder richtig in Form.«
»Ernsthaft?«, fragte sie, ehrlich gerührt.
»Ja. Wieder bei den Sachen, mit denen du mich früher schon immer so gern gelangweilt hast. Es ist schön zu sehen, dass du so …« Er zögerte und sah sie an. »… so glücklich bist.«
Glücklich. Sie dachte nach. Ja, sie war glücklich. Dem ganzen Mist in ihrem Leben zum Trotz war sie glücklich.
»Hast du Lust, was essen oder trinken zu gehen oder …«
»Das würde ich sehr gern, aber ich muss nach Kildare zu der Schmetterlings-Frau, weil ich unbedingt noch mehr über sie herausfinden möchte. Sie ist absolut faszinierend, wie ein Wesen aus einem Tolkien-Buch oder so. Und dann hab ich noch ein Vorstellungsgespräch«, fügte sie hinzu und zuckte innerlich zusammen.
»Wo denn?«
»Am Ashford College, für einen von ihren Medienkursen. Obwohl ich überlege, es abzusagen.«
»Wag es nicht!«, rief er drohend. »Die werden von den Socken sein.«
»Genau davor hab ich ja Angst.«
»Kitty.« Er fixierte sie mit seinen durchdringenden blauen Augen. »Du wirst das super hinkriegen.«
Wieder war sie richtig gerührt, diesmal sogar so, dass ihr Tränen in die Augen schossen. In letzter Zeit hatte sie wenig Lob bekommen, vor allem nicht von Steve, und ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte. Sie schaute auf ihre Füße und räusperte sich verlegen. »Ich mache morgen einen Trip für den Artikel und hab mich gefragt, ob deine Freundin vielleicht Lust hätte, mich als Fotografin zu unterstützen?« Die Worte fühlten sich in ihrem Mund wie Kreide an, aber sie bemühte sich und hoffte, dass er es merkte.
»Katja? Warum?«
»Eine total spannende Geschichte«, antwortete sie lächelnd. »Birdie, eine Frau von der Liste, hat eine Wette abgeschlossen, dass sie ihren fünfundachtzigsten Geburtstag erleben wird, und morgen ist es so weit. Wir fahren nach Cork, um ihren Gewinn abzuholen.«
»Du machst Witze. Wie viel bekommt sie denn?«
»Zehntausend Pfund.« Kitty grinste. »Also natürlich den entsprechenden Betrag in Euro. Wir werden dort übernachten, und unterwegs gibt es auch noch ein paar Dinge, bei denen Katja mir helfen könnte.«
Steve dachte nach. »Ich sage ihr Bescheid.«
»Danke. Wann der Bus uns abholt und so weiter, schreibe ich dir nachher noch per SMS. Falls Katja nicht kommen kann, sag mir bitte Bescheid, damit ich noch Zeit habe, jemand anderes zu organisieren. Jetzt mach ich mich aber mal besser auf den Weg.« Sie standen immer noch im Schrebergarten Nummer fünfzig, und auf einmal sehnte Kitty sich sehr nach noch einer
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