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Hundert Namen: Roman (German Edition)

Hundert Namen: Roman (German Edition)

Titel: Hundert Namen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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dass man daran glaubt, es ist gegen die Natur. Verstehen Sie?«
    Kitty nickte.
    »Bevor ich abends ins Bett gegangen bin, hab ich genauso routinemäßig gebetet, wie ich mir routinemäßig die Zähne geputzt habe. Ich hab genauso an Gott geglaubt wie an Karies. Gott war etwas, vor dem die Erwachsenen den Kindern Angst einjagen wollten, eine Gewohnheit, etwas, was ich tun musste. Als ich sechs Jahre alt war und wir meine Mutter begraben haben, habe ich nicht an Gott geglaubt und auch nicht mit sieben bei meiner Erstkommunion oder mit zwölf bei der Firmung. Ich habe nicht an ihn geglaubt, als ich in seinem Haus stand und ihm versprochen habe, dass ich meiner zukünftigen Frau ewig treu sein würde, aber« – er sah Kitty durchdringend an –, »aber an dem Tag, als meine Tochter geboren wurde, da habe ich ihm gedankt.«
    Er schwieg.
    »Tja, warum hab ich das getan?«, fuhr er schließlich fort. »Wie kann man jemandem danken, an den man eigentlich gar nicht glaubt? Aber ich habe es getan. Als wäre es das Natürlichste auf der Welt.« Wieder hielt er inne. »Aber dann begannen die schlaflosen Nächte, und ich habe ihn wieder vergessen. Nur ganz gelegentlich habe ich mich an ihn erinnert – wenn Rebecca krank wurde, wenn sie Fieber hatte oder als sie sich als Krabbelkind böse den Kopf gestoßen hat und wir mit ihr in die Kinderklinik in der Temple Street gerast sind, damit sie genäht werden konnte. Aber kaum waren ihre Tränen versiegt und ihr wunderschönes Lächeln, das meine ganze Welt erhellte, erschien wieder auf ihrem Gesicht, da habe ich Gott sofort wieder vergessen.
    Erst als sie verschwunden war, erst nachdem sie eine ganze Woche weg war und wir eine öffentliche Suche nach ihr gestartet hatten, fiel mir Gott wieder ein, und ich fing an, zu ihm zu beten. Anfangs jeden Morgen, sobald ich wach wurde. Ich habe gebetet, dass dieser Tag der Tag werden würde, an dem Rebecca wieder nach Hause kommt. Dann wurde das Beten regelmäßiger, fast in jeder Minute hab ich gebetet. Dann fing ich an, in die Kirche zu gehen. Jeden Tag. Wenn ich an meine Tochter dachte, dachte ich sofort auch an Gott. Ich hab so viele Verträge mit ihm geschlossen, so viel Zeit und Energie in Versprechungen und Kompromisse gesteckt. Wenn du sie zurückbringst, dann tu ich dies, wenn wir sie wohlbehalten wiederfinden, dann tu ich jenes. Wenn du uns nur hilfst, sie überhaupt zu finden, dann werde ich der beste Mensch, den du je gesehen hast. Ich habe Gott auf Händen und Knien angefleht, ich habe gebettelt. Ich habe so fest an ihn geglaubt, stärker als je zuvor in meinem Leben.
    Aber als man Rebeccas Leiche gefunden hat, misshandelt und missbraucht, da habe ich nicht nur aufgehört, an Gott zu glauben, sondern ich habe angefangen, so stark an seine Nicht -Existenz zu glauben, dass mir alle Leute, die weiter an ihn glaubten, leidtaten und mich sogar ärgerten. Auf einmal hielt ich es keine Minute mehr mit solchen Menschen aus, und glauben Sie mir, sie kamen massenweise aus ihren Löchern, als man Rebecca gefunden hatte – um uns zu helfen . Ihr Glaube, ihre Naivität, ihre Bereitschaft, dermaßen lächerliche Theorien anzuerkennen, versetzte mich maßlos in Wut. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Glaube nichts als eine faule Ausrede war, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen, nichts als Unfähigkeit, irgendetwas aus eigener Kraft zu leisten, ein billiges Sich-aus-der-Affäre-Ziehen. Mit solchen Menschen wollte ich nichts zu tun haben. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
    »Ja. Dass Sie nicht an Gott glauben«, antwortete Kitty mit einem zaghaften Lächeln.
    »Nein. Ich habe nicht an Gott geglaubt. Dann habe ich an ihn geglaubt, er hat mich im Stich gelassen, und ich habe sieben Jahre damit verbracht, ihn abgrundtief zu hassen, schon allein die Idee, dass es ihn geben könnte . Aber das ist das Gleiche, wie ihm zu danken, obwohl man nicht an ihn glaubt, richtig? Denn wie kann ich jemanden hassen, an dessen Existenz ich nicht glaube?«
    Kitty war so in seine Worte vertieft, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass ihr Frühstück gebracht worden war. Sie trank schnell einen Schluck Wasser und versuchte, sich zu orientieren und einzuschätzen, wohin Archies Erzählung sie führen würde.
    Er beobachtete sie.
    »Sie werden mir nicht glauben.«
    »Doch, ich glaube Ihnen«, entgegnete sie.
    »Ich verspreche es Ihnen – Sie werden mir nicht glauben.«
    »Lassen Sie mich das ruhig selbst beurteilen.«
    Er blickte auf seinen Tee

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