Hundert Namen: Roman (German Edition)
deiner Geschichte? Denn wenn demnächst behauptet wird, ich bin drogenabhängig, dann ist mir das …«
»Jetzt halt mal die Luft an, Kitty. Ich werde meinem Boss sagen, dass du, Kitty Logan, von der er sowieso noch nie was gehört hat, keinen Kommentar zu Victoria Beckhams neuer Kollektion abgeben möchtest. Das ist so ungefähr das Einzige, worüber ich heute mit irgendjemandem sprechen darf. Nicht über das bevorstehende Match Carlow gegen Monaghan, das entscheidend ist, weil der Sieger ins Finale kommt und Carlow seit neunzehnhundertsechsunddreißig und Monaghan seit neunzehnhundertdreißig nicht mehr in einem All-Ireland-Endspiel waren, aber das interessiert keinen. Jedenfalls nicht in meinem Büro. Nein. Wir interessieren uns nur dafür, ob Victorias neue Kollektion ein Kracher wird oder ein Lacher, ob sie flott ist oder Schrott oder was es sonst noch so an sich reimenden Gegenteilpaaren gibt. Dazu soll ich mir nämlich momentan etwas einfallen lassen, aber es klappt leider nicht.« Seine Tirade endete, und Kitty konnte nicht anders, sie musste lachen – das erste echte Lachen in dieser Woche.
»Tja, ich bin froh, dass wenigstens einer von uns das lustig findet.«
»Ich dachte, du darfst jetzt über Fußball schreiben.«
»Victoria ist mit David Beckham verheiratet, deshalb gehört der Artikel zum Fußballressort, sagt mein Chef. Abgesehen davon, dass ich bei diesem albernen Bericht, den ich schreiben muss, deine Hilfe gebrauchen könnte, rufe ich an, um mich zu vergewissern, dass du nicht etwa in deiner Wohnung vermoderst.«
»Na ja, du hattest recht mit deinem Verdacht. Ich war dabei, in meiner Wohnung zu vermodern, aber dann musste ich raus, um Constance zu besuchen. Jetzt ziehe ich mich gleich wieder zurück und modere weiter.«
»Gut, dann bis gleich. Ich stehe nämlich vor deiner Tür. Ach, und Kitty …« Sein Ton wurde ernst. »Du solltest Putzmittel und eine gute Scheuerbürste mitbringen.«
Kittys Magen grummelte.
Journalisten-Drecksau – dieser Schriftzug, quer über ihre Wohnungstür gesprayt, leuchtete Kitty entgegen, als sie, ihr Fahrrad unter dem Arm, die Treppe heraufgekeucht kam. Ihr Studio-Apartment lag in Fairview, einem Vorort von Dublin, zentral genug, dass man mit dem Rad oder gelegentlich sogar zu Fuß in die Stadt gelangen konnte, und der Umstand, dass die Wohnung sich über einer chemischen Reinigung befand, machte sie einigermaßen erschwinglich.
»Vielleicht solltest du lieber umziehen«, sagte Steve, als sie nebeneinander anfingen zu schrubben.
»Kommt nicht in die Tüte, ich kann mir gar nichts anderes leisten. Es sei denn, du kennst freie Wohnungen über einer Reinigung.«
»Ist das jetzt eine Bedingung für dich?«
»Wenn ich irgendein Fenster aufmache, egal, ob bei Tag oder Nacht, werde ich mit einer widerlichen chemischen Reinigungssubstanz eingenebelt, Tetrachlorethen, auch unter dem Namen Perchlorethylen, Perchlor, PCE oder PER bekannt. Schon mal davon gehört?«
Steve schüttelte den Kopf und sprühte Putzmittel auf die Tür.
»Mit dem Zeug werden Kleidungsstücke gereinigt, aber auch Metallteile abgeschmiert. Die Weltgesundheitsorganisation stuft es als potentiell krebserregend ein. Tests haben ergeben, dass das Zeug, wenn man ihm kurzfristig, das heißt höchstens acht Stunden, in einer Konzentration von mehr als 0,7 Gramm pro Kubikmeter Luft ausgesetzt ist, das zentrale Nervensystem angreift, was Symptome wie Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit und Gleichgewichtsverlust zur Folge hat. Das Rot geht besonders schwer ab, oder?«
»Kümmere du dich um das Grün, ich übernehme das Rot.«
Sie tauschten die Plätze.
»Ist man für vier Stunden 0,35 Gramm ausgesetzt, kommt es zu Beeinträchtigungen des Sehvermögens, da der Sehnerv angegriffen wird.« Kitty tunkte ihren Schwamm in einen Eimer Wasser und schrubbte weiter. »Langzeitkontakt, zum Beispiel bei Leuten, die in einer chemischen Reinigung arbeiten, führt nachweislich zu biochemischen Veränderungen in Blut und Urin. Und da Perchlor auch durch Böden, Decken und Wände dringt, hat man eine Studie an vierzehn gesunden Erwachsenen durchgeführt, die in der Nähe chemischer Reinigungen wohnten, mit dem Ergebnis, dass ihre Verhaltenstests schlechter ausfielen als der Mittelwert von Personen, die der Substanz nicht ausgesetzt waren.«
»Aha, deshalb bist du so sonderbar. Und deinem Wortschwall entnehme ich, dass du mal einen Bericht über PER gemacht hast.«
»Nein, nicht ganz. Ich
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