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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Wohnadresse der Zielperson nicht abzubrechen: Wahrscheinlich unter Ausnutzung der Nacht und evtl. von Ablenkungsmanövern muß sich die ZP oder ein Vertrauter der ZP kürzlich Zutritt zu seiner Wohnung verschafft haben. Das neu beobachtete An- bzw. Abschalten von Licht, Radio, TV geht nach Überprüfungen durch Richtmikrofon nicht mit weiteren Aktivitäten einher. Es ist deshalb davon auszugehen, daß es sich um ein Täuschungsmanöver mittels Installation von Zeitschaltuhren handelt.

    Die Tatsache, daß sich die ZP oder ein Vertrauter trotz andauernder Überwachung unbemerkt Zutritt verschaffen konnten und der vorbeschriebene Versuch, eine bewohnte Wohnung vorzutäuschen, spricht für die hohe kriminelle und konspirative Energie der ZP und seiner Vertrauten. Eine entsprechende Aktivität (Anschlag) könnte unmittelbar bevorstehen, deshalb wird dringend zur Fortsetzung der Observation geraten.

Bundesamt für Verfassungsschutz
Ref. IV, Vorgang Nr. 286-56
Zielperson: Dr. Felix Hoffmann
Von: Abteilungsleiter
An: Außendienst
    Observation der bekannten Wohnadresse der ZP wird für eine weitere Woche genehmigt.

Kapitel 35

    Und dann war mit einem Schlag alles in Ordnung. Uninteressant, wohin die verdammte Wasseraufbereitungsgiftgasanlage aus dem Klinikkeller verschwunden war, unerheblich, welcher Lieferwagen diesmal die gewachsene Parkplatzordnung vor meiner Wohnung störte, unwichtig, was an der Klinik so Geheimnisvolles vorging: Celine war wieder da! Sicher, man sah ihr an, daß sie nicht aus einem Wellnessurlaub kam, aber sie war am Leben, ohne offensichtliche Erkrankung und in einem Stück.

    Auf den ersten Blick hatte sich nicht viel geändert, hatten wir unsere alte Celine zurückbekommen. Nach all den Strapazen muß sie sich richtig ausschlafen, sagte ich mir, als sie an ihrem ersten Tag in Berlin allein sein wollte. Aber schon auf dem großen Willkommensfest bei Beate am nächsten Abend war Celines Tanzen ein wenig zu wild und ihr Lachen ein wenig zu laut. Später fand ich sie, wie sie zwischen den Wintermänteln auf Beates zur Garderobe umfunktioniertem Bett lag und an die Decke starrte.

    Es kristallisierten sich zwei Meinungen heraus, ich teilte beide. Eine Fraktion empfahl, Celine in Ruhe zu lassen, ihr Zeit zu geben, sich wieder an das Leben hier und mit uns zu gewöhnen. Die anderen vertraten die Ansicht, Celine jetzt alleine zu lassen, könnte schlimmste Folgen zeitigen, gerade jetzt brauche sie den engen Kontakt zu uns.

    Die Sache regelte sich von selbst, denn die Mehrheit vertrat die letzte Meinung und jeder wollte nun seine eigene Willkommensparty veranstalten. Aber das konnte kaum eine vernünftige Umsetzung des Konzepts, Celine wieder an uns und ihr Leben hier zu gewöhnen, sein. Mir kam eine andere Idee.

    »Was hältst du von ein paar Tagen Spreewald?«

    Ich halte mich nicht für den idealen Psychotherapeuten und war nicht einmal sicher, ob ich eigentlich selbst inzwischen meine Dauersomnolenz überwunden hatte (hatte ich nicht, weiß ich heute). Doch es heißt, häufig sei einfach Zuhören ausreichend, und das würde ich wohl hinbekommen. Ruhe dazu würden wir genug haben, ist doch März nicht gerade Hauptsaison im Spreewald. Und technisch bestand auch kein Problem: Kaum zu glauben, aber meine zweite Urlaubswoche fing gerade erst an!

    So studierten wir schon am nächsten Abend die Speisekarte im Hotel »Zum grünen Strand der Spree« in Schlepzig. Ganz in der Nähe hatte ich vor zwei Jahren die Südseemuscheln für Celine vergraben, und es war die Südseemuschel »Cytherea meretrix«, die mich von der Echtheit ihrer E-Mail aus wo auch immer überzeugt hatte.

    Seit der Abfahrt von der Autobahn hatte ich den roten Opel Astra hinter uns bemerkt, möglich, daß er uns schon länger gefolgt war. Nun saßen seine beiden Insassen nur zwei Tische entfernt von uns, wohl noch unentschieden zwischen der Tagesempfehlung »Frische Brandenburger Steinpilze mit Wildschweinfilet und Kartoffelrösti« und der Spezialität des Hauses, »Zander mit Tomaten und Kapern auf Rahmsauerkraut und Petersilienkartoffeln«. Warum sollten Celine und ich die einzigen sein, die an diesem milden Märztag in den Spreewald gefahren waren?

    »Die Typen da drüben. Wohnen die auch hier?« fragte ich Torsten, einen ehemaligen Kollegen aus unserer Röntgenabteilung, jetzt Chef und Eigentümer des Hotels.

    »Ja. Haben sogar die erste Nacht im voraus gezahlt.«

    »Hatten die reserviert?«

    »Nein, hatten sie nicht. Sie sagen, es

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