Hundertundeine Nacht
hatten, unverändert. Ich schaute aus dem Fenster: Ebenso unverändert stand ein Lieferwagen vor der Tür, diesmal angeblich, um bei Schwierigkeiten mit der Waschmaschine sofort zur Stelle zu sein.
Unter meinen Pflastern vor mich hin grinsend, packte ich meinen Einkauf vom Elektroladen aus und begann die unkomplizierte Installation der Zeitschaltuhren. Entsprechend der gewählten Einstellung »Zufallsgenerator« würden sich nun tagsüber oder nachts mein Radio einschalten, mein Fernseher, das Licht. Eine Weile wenigstens sollte das die Herrschaften von den Fernseh-, Waschmaschinen- und Sanitärnotdiensten und ihre auswärtigen Kollegen beschäftigt halten!
Ich packte noch Hemden, Socken und Unterwäsche für ein paar Tage zusammen, dachte sogar an eine Zahnbürste und Rasierzeug und verließ meine Wohnung auf demselben Weg, den ich gekommen war.
Zurück bei Beate, stand ihr Wagen auf seinem Parkplatz, sie war also schon zu Hause. Mit der gebotenen Vorsicht ging das Treppensteigen inzwischen wieder ganz ordentlich, vielleicht würde ich heute schon von dem Champagner vertragen, den ich aus meinen Beständen mitgebracht hatte. Jedenfalls keinen Pfefferminztee mehr! Ich klingelte, Beate machte auf.
»Hallo, Felix. Wo hast du dich rumgetrieben?«
»Ich habe mir nur ein paar frische Klamotten besorgt«, antwortete ich und schob Celines Guccitasche mit dem Fuß vor mir her.
In diesem Moment ging hinter Beate die Badezimmertür auf und Tom Cruise stand im Türrahmen. Oder sein attraktiverer Zwillingsbruder. In der plötzlich eingetretenen Stille nahm meine Reisetasche die Größe eines Schrankkoffers an.
»Max, das ist Felix. Felix, das ist Max.«
Freundschaftlich schüttelten sich Max und Felix die Hände. Felix erfuhr, daß Max mit vollem Namen Max Krieger hieß und Chef einer Werbeagentur war. Max hingegen schien alles über Felix zu wissen.
»Freut mich, daß es Ihnen wieder besser geht.«
Weil du dich dann endlich aus meinem Territorium verpissen kannst, ergänzte ich stumm für meinen neuen Freund. Es war klar, ich mußte wieder abziehen. Nur, wie sähe das aus? Die Alternative allerdings, auf der Wohnzimmercouch dem nächtlichen Kichern und Knarren von nebenan zu lauschen, reizte mich ebenso wenig.
Beate löste die Situation und holte ihren Mantel.
»Du kommst alleine zurecht, Felix, oder?«
Eine rhetorische Frage, trotzdem nickte ich tapfer. Klar käme ich alleine zurecht. Natürlich litt ich noch unter den Folgen der Gehirnerschütterung, könnte zum Beispiel im Bad ausrutschen und mir das Genick brechen oder bewegungsunfähig an Unterkühlung sterben, aber das wäre dann nicht meine Schuld.
Zwei Tage blieb ich noch bei Beate, sah allerdings nur wenig von ihr. Tagsüber arbeitete sie in der Klinik, die Nächte verbrachte sie bei Max. Sie machte einen ziemlich beschäftigten Eindruck.
»Alles in Ordnung in der Klinik?«
»Mach dir keine Sorgen, Felix. Auch in deiner Abteilung läuft alles bestens.«
Dann griff sie sich ein paar Klamotten und war wieder verschwunden.
Ich Dummkopf! In meiner maßlosen Ichbezogenheit hatte ich Beate immer nur als Freundin von Celine und Verwaltungsleiterin der Klinik wahrgenommen, mir aber nie die naheliegende Frage nach ihrem Privatleben gestellt.
Ich rief mich zur Ordnung. Es konnte nicht um verletzte Eitelkeit oder meine unvollendete Pubertät gehen, die mich sowieso ins Grab begleiten würde, genausowenig wie um weitere Räuber-und-Gendarm-Spiele mit sonst beschäftigungslosen Geheimdiensten oder Volksgruppen. Auch irgendwelche Spielchen, die vielleicht in der Inneren Abteilung liefen, waren im Moment egal.
Wirklich wichtig war, wann Celine endlich wohlbehalten zurückkäme und wie ich oder wir ihr dabei helfen könnten. Und wirklich schlimm war, daß ich zwar einen Plan dazu hatte, der aber für Celine zu riskant war.
So blieb mir nichts anderes übrig, als wenigstens dreimal am Tag meinen E-Mail-Eingang zu kontrollieren und per Fernabfrage meinen Anrufbeantworter abzuhören. Beate rief wiederholt Celines Eltern an, aber auch die hatten nichts von ihrer Tochter gehört.
War die E-Mail mit der Südseemuschel doch nur ein grausamer Scherz gewesen, von wem auch immer? Oder war danach, auf der Flucht, etwas Schlimmes passiert?
Bundesamt für Verfassungsschutz
Ref. IV, Vorgang Nr. 286-56
Zielperson: Dr. Felix Hoffmann
Von: Außendienst
An: Abteilungsleiter
Aufgrund neuer Erkenntnisse wird dringend empfohlen, die Observation der
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