Hundertundeine Nacht
sei eine spontane Entscheidung gewesen.«
»Wahrscheinlich sind die beiden einfach dem massiven Charme des Spreewalds im Vorfrühling erlegen, genau wie Celine und ich.«
»Auf jeden Fall haben die beiden jemanden, der ihnen den Aufenthalt hier bezahlt.«
»Woher weißt du das?«
»Ich sollte ihnen eine ›ordentliche Rechnung machen‹ – damit ist eine Rechnung über mindestens den doppelten Betrag als den, den sie hier wirklich zahlen, gemeint. Mache ich aber prinzipiell nicht. Ich kann solche Spesenritter nicht ausstehen!«
In dieser Nacht schlief Celine nach einiger Zeit ruhig atmend neben mir ein. Alles weitere würde sich finden.
Erst am nächsten Tag erkannte ich, wie geschwächt sie tatsächlich war, aus der geplanten Fahrradtour wurde ein Spaziergang durch Schlepzig im Kurschritt.
»Gleich morgen fahren wir in die Klinik, und du läßt dich gründlich untersuchen. Und mach dir keine Sorgen, ich werde mich da komplett heraushalten.«
»Mir fehlt nichts. Ich muß mich nur ein bißchen erholen.«
Immer noch hatte sie nichts aus dem Irak erzählt, hatte entsprechende Fragen kommentarlos übergangen. Die Fernsehnachrichten aus dem Irak hingegen gaben ein wenig Hoffnung. Die Iraker hatten begonnen, ihre Raketen auseinanderzuschrauben, und die Rüstungskontrolleure der UN sprachen von »guter Zusammenarbeit« und hatten trotzdem bisher keine Massenvernichtungswaffen gefunden: Werden das die Amerikaner und Engländer einfach ignorieren?
Auch diesen Abend verbrachten wir in der stummen Gesellschaft der beiden Opelfahrer. Celine hatte zwar wieder kein Menu bestellt, aber anders als gestern neben einem Salat immerhin noch Zander, frisch aus der Spree vor der Tür. Nach ein paar Bissen allerdings gab sie auf.
»Tut mir leid, Felix. Laß dir nicht den Appetit verderben. Ich brauche nur ein bißchen frische Luft.«
»Soll ich mitkommen?«
»Nein, danke. Zum Nachtisch bin ich zurück.«
Als sie verschwunden war, fragte ich Torsten, ob wir ein zweites Zimmer haben könnten. Vielleicht war das das Problem, oder ein Teil davon.
»Klar, kannst du. Bis April, Mai ist doch hier nie was los.«
Celine war zum Nachtisch nicht zurück. In unserem Zimmer war sie auch nicht. Ich machte mich auf eine Wanderung durch Schlepzig, was ziemlich schnell erledigt war, aber keine Spur von Celine. Hatte sie einen unserer alten Wanderwege genommen und sich verlaufen? War sie gar in einen der vielen Spreearme gefallen und zu schwach, wieder aus dem Wasser zu kommen?
Zur Erkundung der Umgebung ging ich zurück ins Hotel, um mir von Torsten eine Taschenlampe zu borgen.
»Einen Moment, Felix. Ich komme mit.«
Wir beschlossen, daß es effektiver sei, getrennt nach Celine zu suchen. Nach einer guten Stunde erfolglosen Suchens und Rufens waren die Batterien der Taschenlampen erschöpft, wir trafen uns wieder im Hotel.
»Und wenn sie einfach zurück nach Berlin gefahren ist?«
»Das hätte sie mir doch wohl gesagt. Außerdem, wie denn?«
Mein Auto stand unverändert auf dem Hotelparkplatz.
Plötzlich wußte ich, was passiert war, und stürmte in die Hotelbar, wo die beiden Kerle aus dem Opel selbstzufrieden in ihre Drinks grinsten. Ich hatte das Überraschungsmoment auf meiner Seite und so den Kleineren der beiden rasch vom Hocker gekippt, während ich seinen Freund beim Jackett packte.
»Was habt ihr Schweine mit ihr gemacht? Wo habt ihr sie hingeschleppt?!«
Der Große hätte mich sicher auch alleine geschafft, aber inzwischen war Torsten aufgetaucht und hielt mich von hinten fest.
»Felix, laß den Blödsinn!«
Waren die beiden nun vom Verfassungsschutz? Ich hätte darauf wetten können, zu sehr erinnerten sie mich an die Kollegen Jablonske und Waldeck. Aber wäre Celine tatsächlich von ihnen verschleppt worden, warum saßen sie dann noch hier herum? Zur Ablenkung? Wer sonst könnte Celine entführt haben? Die Iraker zum Beispiel, um zu zeigen, daß man ihnen letztlich doch nicht entkommen kann? Oder die Kurdengruppe, die mich neulich im Restaurant Behar so intensiv befragt hatte? Im Grunde, wurde mir klar, kam jede der an dieser Sache beteiligten Gruppen und Dienste in Frage.
»Findest du die Annahme, die ganze Welt sei hinter Celine her, nicht ein bißchen paranoid? Vielleicht will sie nur ihre Ruhe?« meinte Torsten.
Endlich kam mir die naheliegende Idee, Celines Sachen zu untersuchen. Ihre Reisetasche stand unverändert im Zimmer, ihre Kleidung hing im Schrank. Aber ihr Waschzeug, die
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