Hundertundeine Nacht
elektrische Zahnbürste, ihr Kulturbeutel fehlten. Hinter mir hörte ich Torsten telefonieren.
»Richtig, eine junge Frau. Richtig. Alleine bis nach Berlin? Ja, schönen Dank.«
Torsten legte auf. Er hatte den einzigen Taxifahrer in Schlepzig angerufen, aber nur dessen Frau erreicht. Ihr Mann sei auf dem Weg zurück aus Berlin, wohin er gerade eine junge Frau gebracht habe.
Torstens Frau Anja ließ noch einen doppelten Espresso für mich durch die Maschine laufen, dann war ich auf der Landstraße und wenig später auf der Autobahn. Gegen drei Uhr morgens kam ich in Berlin an, und nur wenig später hatte ich Celine entdeckt: auf meinem Anrufbeantworter.
Es war so, wie Torsten vermutet hatte. Sie brauche Ruhe, habe viel zu überlegen, müsse sich finden und so weiter und so fort. Jedenfalls solle ich mir keine Sorgen machen und nicht nach ihr suchen.
Also fuhr ich sofort nach Charlottenburg und klingelte Beate aus dem Bett.
»Hier ist sie nicht, Felix.«
Ich glaubte ihr nicht.
»Darf ich reinkommen?«
Ohne die Antwort abzuwarten, drängelte ich mich an Beate vorbei und kontrollierte die Wohnung. Beate war tatsächlich nicht alleine. Aber es war Max Krieger, nicht Celine in ihrem Schlafzimmer.
»Felix, ich habe keine Ahnung, wo Celine ist. Und selbst wenn ich es wüßte, würde ich es dir nicht verraten. Sie braucht ihre Ruhe.«
Nun mischte sich auch noch Freund Max ein.
»Meinen Sie nicht, Sie sollten den Wunsch Ihrer Freundin respektieren?«
Ich hatte meine physische Kraft für heute schon mit den Kerlen in der Hotelbar aufgebraucht, und es wäre sowieso keine gute Idee gewesen, sich mit diesem Fitneßstudio-Typen anzulegen. Außerdem ärgern sich die Leute viel mehr, wenn man sie ignoriert.
»Hast du dir mal überlegt, Beate, daß Celine auch hier immer noch in Gefahr ist? Daß sie vielleicht ganz plötzlich Hilfe brauchen könnte?«
»Felix, hör mir auf mit deiner Paranoia. Wir sind in Deutschland, nicht im wilden Kurdistan.«
Torsten hatte auch von Paranoia gesprochen. Aber aus der Klinik weiß ich, daß eine Diagnose noch lange nicht gesichert ist, nur weil zwei Ärzte in ihr übereinstimmen. Außerdem, fand ich, übersah Beate einen wichtigen Punkt: Immer noch war irgendwo ein Ultrafeinstvernebler neuester Bauart zur Giftgasproduktion versteckt, und nach aller Erfahrung sind Menschen ein überzeugendes Tauschobjekt, wenn jemand etwas unbedingt haben möchte.
Operation Enduring Freedom
Von: Fregatte Bayern, Position 17°23’Nord / 52°19’Ost, östlicher Golf von Aden
An: Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Geltow
Tagesbericht Schiffsbewegungen im Überwachungsgebiet (Auszug)
MS African Star, Öltanker, von Kuwait nach Durban, Verdachtsklasse 0, nicht überprüft.
MS African Queen, Öltanker, von Kuwait nach Durban, Verdachtsklasse 0, nicht überprüft.
MS Morning Beauty, Containerfrachter, von Hamburg nach Bandar Abbas, Verdachtsklasse 1, Papiere überprüft, keine Unregelmäßigkeiten.
MS Belsazar, Stückgutfrachter von Luanda nach Karachi, Verdachtsklasse 1, Papiere überprüft, keine Unregelmäßigkeiten.
MS Esso Bremen, Öltanker, von Emden nach Dubai, Verdachtsklasse 0, nicht überprüft.
Kapitel 36
Fast genau vierundzwanzig Stunden hielt ich das Haus von Celines Eltern in Hamburg unter Beobachtung, dann war ich ziemlich sicher, sie hier nicht zu finden. Die offizielle Auskunft aus dem Hause Bergkamp entsprach der von Beate.
»Celine ist nicht hier. Und selbst wenn sie es wäre, würden wir es dir nicht sagen.«
Immerhin hatte ich bei Beate noch ein Frühstück bekommen, hier gab es keinen Kaffee ans Auto, keine Einladung, wenigstens die Dusche zu benutzen. Ich konnte nur froh sein, daß ich neben anderem Müll auch immer meinen Schlafsack mit mir herumfahre, und war deshalb trotz der Kälte ab und zu eingeschlafen.
Aber bei Celines Verhältnis zu ihren Eltern war es ohnehin unwahrscheinlich, daß sie ausgerechnet hier zu sich selbst finden wollte, und mehr noch, hoffte ich wenigstens, daß sie mich länger als ein paar Stunden ohne Kaffee vor der Tür sitzen ließe. Selbst wenn ich inzwischen eine neue Version zu Celines Verschwinden hatte: Sie wollte mich strafen! Aber unverändert war ich überzeugt, daß sie sich in Gefahr befand und daß ich sie unbedingt finden mußte, bevor es andere taten.
Aber wo sollte ich noch suchen? Gab es eine alte Schulfreundin, die ich nicht kannte, einen Lieblingsonkel, von dem ich nichts wußte? Ziemlich ratlos
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