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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Trinkwasseraufbereitungsanlage transportiert hatten, sondern ein Geschenk für Saddam Hussein!«

    Ich sagte nichts, wartete ab, ob Celine auch über ihre Festnahme, Verhöre, Haftbedingungen im Irak erzählen würde. Das waren die eigentlich sensiblen Themen. Aber Celine lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

    »So bin ich in den Irak gekommen. Und jetzt bin ich müde.« Während Celine duschte, räumte ich das Geschirr weg und wusch ab. Dann setzte ich mich auf die Terrasse und wartete auf die ersten Sterne, für einen Märzabend war es ziemlich warm. Bald steckte Celine den Kopf durch die Haustür und wünschte mir eine gute Nacht. Ich wußte nicht so recht, was ich machen sollte, ob ich damit ins Haus eingeladen war oder nicht. Wahrscheinlich nicht, entschied ich und ging auf ein Bier in die Dorfkneipe.

    Laut Aufdruck soll mein Schlafsack »himalajatauglich« sein. Also klappte ich mir nach dem Besuch in der Dorfkneipe eine Gartenliege auseinander, holte den Schlafsack aus dem Auto, wartete auf den späten Schneesturm, der diese Nacht unweigerlich über Enge hereinbrechen würde, und dachte nach. Was war los mit Celine? Warum war sie immer noch so verschlossen? Hatte man sie gefoltert im Irak? Vergewaltigt? Und warum versagte ich so jämmerlich, ihr zu helfen? Würde sie je wieder über meine umwerfend komischen Scherze lachen?

    Ich wachte auf, als ich im Traum gerade unter der Dusche stand – dicke norddeutsche Regentropfen fielen mir ins Gesicht. Als der Regen weder durch Drehen auf die linke noch auf die rechte Seite zu stoppen war, trollte ich mich mit meinem Schlafsack ins Auto und wünschte, ich hätte einen Campingbus – oder kürzere Beine.

    Der nächste Morgen begann vielversprechend. Es regnete zwar noch, aber es gab Kaffee ans Bett beziehungsweise ans Auto. Celine schien guter Dinge, gemeinsam marschierten wir über die Straße zum Kaufmann und erstanden frische Brötchen. Der letzte Bäcker im Ort, erfuhr ich, habe vor drei Jahren aufgegeben. Nun kamen auch in Enge die Brötchen aus der Fabrik, die sich allerdings Landbäckerei nannte.

    Trotzdem, als ich geduscht hatte, zog ein herrlicher Duft von frisch gebackenen Brötchen und frisch gefiltertem Kaffee durch die Kate.

    »Woher hast du die phantastische Marmelade?«

    Marmelade war sprachlich nicht ganz korrekt, es handelte sich um Pflaumenmus, gewürzt mit einem Hauch von Ingwer.

    »Von Uwe Lorenzen aus Leck, nächster größerer Ort. Ein unglaublicher Laden! Auf der Fläche dieser Küche bekommst du bei Uwe Lo alles, wofür du in Berlin ins KaDeWe fahren mußt.«

    Über solche und ähnlich wichtige Dinge sprachen wir beim Frühstück, es fehlte nur noch der Vergleich der aktuellen Sonderangebote bei Aldi und Lidl. Sorgsam vermied ich Themen wie Irak, Heiner oder bestimmte gemeinsame gute Freundinnen, bis Celine fragte, warum ich in der Nacht nicht ins Haus gekommen wäre.

    »Wenigstens, als der Regen anfing? Die Tür war nicht abgeschlossen.«

    »Ich wollte dich nicht erschrecken, vielleicht wärst du aufgewacht. Außerdem hättest du mich mißverstehen können. Sicher hättest du mich nicht einfach so im Spreewald sitzenlassen, wenn Beate dir nicht von uns erzählt hätte.«

    Celine schaute von ihrer Kaffeetasse auf, sofort war klar, daß ich gerade den Bock der Woche geschossen hatte. Hatte sie noch nichts gewußt von Beate und mir?!

    »Du denkst tatsächlich, es ging um dich, als ich aus dem Spreewald geflüchtet bin? Darum, was du hier während meines Irakurlaubs getrieben hast? Kannst du dir eventuell vorstellen, daß es auch ein Leben ohne dich gibt auf dieser Welt? Ein Leben, in dem du nicht vorkommst?«

    »Das muß aber ein trauriges Leben sein!«

    Ich verzichtete auf den Versuch, die Situation mit dieser oder einer ähnlich humorigen Bemerkung zu retten. Im Moment war hier nichts zu retten. Ausnahmsweise erkannte sogar ich meine monströse Selbstbezogenheit, und so war, was immer ich mit Celine seit gestern abend wieder aufgebaut oder vorsichtig repariert hatte, innerhalb von weniger als einer Minute kaputt, und kein Aufräumungs- oder gar Reparaturkommando in Sicht.

    Ich fuhr nicht sofort ab, oder, besser gesagt, ich wurde nicht sofort verabschiedet. Dafür gab es ganz praktische Gründe. Celine hatte ihrer Tante versprochen, sich um das Beschneiden der Obstbäume zu kümmern, konnte aber die alte Holzleiter nicht alleine tragen.

    »Bist du sicher, daß März der richtige Monat zum Baumschnitt

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