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Hundestaffel

Hundestaffel

Titel: Hundestaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Abermann
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blieben unerforschtes Gelände, und sie erfüllten ihn mit rasendem Zorn, der sich nirgendwo entladen konnte. Hier versagte der Feldherr, seine Truppen rieben sich auf an den Mauern. Träume waren solche Zonen, ebenso wie die seltenen Lebewesen, die einen eigenen Willen bewiesen. Diese beiden Dinge widersetzten sich. Sie waren Hannes’ natürliche Feinde
.
    Ein Beispiel für einen solchen Traum: Hannes war schweißgebadet daraus erwacht. Er hatte geträumt, nach Hause zu kommen und seine Eltern beim Sex zu überraschen. Er war den Geräuschen gefolgt, hatte eine Tür geöffnet und sah einen angespannten Rücken. Seine Mutter stützte sich am Küchentisch ab. Sein Vater drang von hinten in sie ein. Als sie Hannes hörten, drehten beide den Kopf in seine Richtung. Doch wo der Kopf seiner Mutter sitzen sollte, saß plötzlich der Kopf des Kindermädchens. Es quiekte überrascht. Hannes’ Vater hingegen grinste. Er trug eine Krone. Hannes wollte aus dem Zimmer laufen, stand versteinert da wie ein Denkmal für seine eigene Machtlosigkeit. Er musste zusehen, wie sein Vater weiter sein Becken bewegte. Er hämmerte weiterhin in den fremden Körper ein. Hannes wachte von dem penetranten Klatschen auf
.
    Der Traum blieb Hannes immer im Gedächtnis. Je mehr er versuchte, ihn zu vergessen, umso mehr fraßen sich die Bilder in seine Erinnerung hinein und rebellierten gegen jeden Versuch, sie auszulöschen. Der Traum erwies sich als harter Gegner, der sich ihm niemals unterwarf, der sich höchstens zurückzog, um in einer neuen Verkleidung schließlich wiederzukommen. Er bot Hannes keinerlei Angriffsfläche, sondern überraschte ihn einfach im Schlaf und löste sich schließlich in Luft auf. Er entzog sich ihm
.
    Ganz anders dagegen die Menschen, dachte Hannes. Ganz anders zum Beispiel Menschen wie Bélisa. Sie hatte sich ihm auch entzogen. Doch sie würde sich nicht ewig verstecken können. Dieser Gegner würde irgendwann im Kampf fallen müssen, dessen war sich Hannes sicher. Einmal mehr dachte er an die Ohrfeige, die er hatte ertragen müssen. Wieder stieg dabei der Zorn in ihm hoch. Eine Ohrfeige zu bekommen von einer, die fast in der Kloschüssel ertrunken wäre! Und doch war diese Hand über der Wasseroberfläche geblieben, nur um dort blind nach ihm zu schlagen. Dass sich jemand auf diese Weise gegen ihn zur Wehr gesetzt hatte, empfand er als Beleidigung
.
    Hannes brütete über dieser Ohrfeige, bis sie in seinen Gedanken zu einem zornig schallenden Schlag angewachsen war. Auf diesen Schlag würde er antworten müssen. Und zwar nachdrücklich. Er dachte daran, dass alle Menschen in irgendeiner Weise manipulierbar waren, angreifbar. Auch Bélisa würde man in die Knie zwingen können. Wenn nötig, auch mit Gewalt. Hannes stellte sich vor, wie er die rebellische Hand unters Wasser zurückdrückte. Er sah einige Luftblasen an die Oberfläche treten. Dann glätteten sich die Wellen wieder
.
    Diese Vorstellung war beruhigend. Sie war sehr beruhigend
.
    Hannes, auch dir schenke ich zweifelhafte Erinnerungen. War es das, was du gedacht hast? Oder tue ich dir Unrecht? Vielleicht übertreibe ich. Verzeihung, Verzeihung! Vielleicht verfehle ich dich vollkommen. Könnte es sein, dass ich dich verwechsle? Vielleicht warst du ein ganz anderer. Jemand, der an sich selbst zweifelte. Ein armes, verletzliches Menschlein. Vielleicht war das Gesicht, das du der Welt gezeigt hast, auch nur eine Maske unter vielen. Vielleicht steckte hinter dem selbstsicheren Auftreten ein unförmiger Kern, von dem du selbst nicht wusstest, in welche Form du ihn hättest bringen sollen. Wenn ich dir jetzt eine Form gebe, dann verforme ich dich vielleicht.
    Aber wie sollte ich mir sicher sein? Gab es jemanden, mit dem du deine Gedanken teiltest? Nein, du hast die Menschen nur das Nötigste wissen lassen. Nur das, was sie unbedingt wissen mussten. Und so hast du auch deine Pläne für Bélisa nicht vollständig vor uns ausgebreitet. Natürlich, Leo musste etwas gewusst haben, jedoch nicht alles. Und er hatte keine Ahnung von deinen Motiven. Er führte nur Handlungen aus, um dir einen Dienst zu erweisen. Wusste er von dieser kränkenden Ohrfeige? Ganz gewiss nicht.
    Hannes, Hannes, ja, diese schreckliche Ohrfeige. Ein schwerer Schlag musste das gewesen sein. Ein Moment, in dem du dich schwach fühltest. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du freiwillig davon erzählt hättest. Genau deshalb war Leo dir so nützlich. Er stellte keine Fragen und dich nicht in

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