Hundestaffel
und The Cure gingen aufeinander los:
Bloody Sunday … I’m in Love
. Ich fühlte die Dunkelheit um mich wie eine Decke. Maria ging von der Bar weg. Ich fixierte sie. Sie sah nicht mehr zu mir her.
Was hielt mich zurück? Warum war ich unfähig, einen kleinen Schritt zu tun?
Mit großen Schlucken spülte ich den Ärger über mich selbst hinunter. In meinen Fingerspitzen breitete sich ein Kribbeln aus, eine Horde von kleinen Insekten sammelte sich zum Ansturm auf den restlichen Körper. Aus meiner finsteren Ecke sah ich hinüber ins Licht wie in ein fremdes Land. Ich verschanzte mich in der Dunkelheit. Licht flog auf meinen Panzer zu, blieb in der Luft stehen, prallte ab wie ein Strahl Wasser, der in der Luft gefriert und am Boden zerschellt. Doch die Illusion dauerte nur kurz an. Plötzlich stand Leo vor mir. Seine Anwesenheit katapultierte mich zurück in die Realität. Sein T-Shirt war vollkommen durchnässt. Er kam offensichtlich direkt von der Tanzfläche, atmete schwer, sah aber gut gelaunt aus. Ein Lachen zog sich über sein Gesicht wie eine riesige Narbe. Warum ich so ernst hier in der Ecke säße? Ich zuckte nur mit den Schultern. Mittlerweile hatte sich das Kribbeln überall in meinem Körper ausgebreitet, Ströme von Insekten jagten durch meine Adern, in meinem Brustkorb verwandelten sie sich in knotige Kröten; sprangen gegen meine Rippen. Ich bemerkte plötzlich, dass ich jetzt schon betrunken war.
Warum ich nicht zu ihnen gekommen sei, fragte Leo, sie seien sicher schon seit Stunden hier. Mindestens. Ich druckste herum, Leo lachte, schüttelte den Kopf und sagte, dass ich ganz schön komisch sei an diesem Abend. Ich solle einfach mitkommen, fügte er schließlich hinzu. Die anderen stünden weiter hinten. (Er sagte „die anderen“ und meinte damit Hannes.) Dabei wies er irgendwohin ins Licht. Die Musik war wieder lauter geworden. Die Scheinwerferkegel bewegten sich sehr schnell. Ich stand auf. Das Kribbeln sackte mir in die Beine und nahm das Blut aus meinem Kopf mit. Zurück blieb Schwärze vor den Augen. Ich kämpfte dagegen an, um Leo zu folgen. Wir holten noch einmal Bier, bevor wir zu Hannes gingen. Ich trank immer schneller.
Hannes stand am Rand der Tanzfläche. Scannte den Raum nach einem Ziel ab. Während ich Leo folgte, ertappte auch ich mich dabei, dass ich die Gesichter der tanzenden Mädchen überflog, als wären es Karteikarten. (Doch ich fand das Gesicht nicht, das ich suchte.) Hannes begrüßte mich betont überschwänglich, klopfte mir auf die Schulter. Alter Jagdkamerad. Ich begrüßte ihn ebenfalls. Ich bemerkte, dass ich leicht lallte. Aus den Boxen kam ein neuer Track, den ich nicht kannte. Für einige Minuten sagte niemand etwas. Der DJ mischte einen Effekt in den Track, die Töne drückten sich durch ein enges Rohr, ein Hall auf den Melodiebögen ließ Spannung entstehen, Arme wurden nach oben gerissen, zählten den Track im Takt ein wie einen Countdown.
Und dann plötzlich: Lift-off. Lichter zuckten, weiß, rot, pum-pump. Sie war doch auf der Tanzfläche. Schüttelte sich zur Musik, verbog sich verführerisch. Ich leerte das Bier hinunter wie ein Schwertschlucker einen Degen. Doch statt meine Gedanken abzutöten, versetzte ich mir den Todesstoß. Auf einmal wurde mir wirklich schlecht. Der Hase, der Mann am Asphalt, Maria, Anna – alles rührte mir das Hirn um, hängte sich an die Bewegungen meiner Tänzerin. Wie lange war ich in der Ecke gesessen, bevor Leo mich gefunden hatte? Jedenfalls lange genug, um betrunken zu werden. Ich wollte das alles nicht mitansehen und lief zum Ausgang, die Hand vor dem Mund. Hinter mir hörte ich Hannes lachen. Die Luft, die ich atmete, schmeckte nach Metall, stickig, ein klaustrophobisches Gefühl drückte mir auf die Haut, ich warf mich gegen die Tür.
Der Abendwind schlug mir kühl entgegen. Ich machte zwei Schritte, die mir wie große Sprünge vorkamen. Blieb stehen, atmete tief durch. Noch gelang es mir, aufrecht zu stehen, doch ich brauchte dringend einen Platz zum Sitzen. Ich drehte mich nach rechts, eine kleine Mauer hinter einem Fahrradständer versprach Erlösung. Ich zog mich daran hoch, legte das Gesicht in meine Hände und horchte auf das Rauschen in meinen Ohren. Ich konnte darin den Lärm der Musik ausmachen, ich hatte einen Teil des Dröhnens aus dem Palace mitgenommen, nun schwamm es in meinem Kopf herum. Ich zwang meinen Kopf wieder hoch. Der Baum auf der gegenüberliegenden Straßenseite begann sich auf eine Reise zu
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