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Hundestaffel

Hundestaffel

Titel: Hundestaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Abermann
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Sätze blieben zwischen uns liegen, weil niemand die Fäden aufnahm.
    Noch ein Schluck, zwei Mädchen tanzten vor mir, verrutschende Tops, die beiden ineinander verhakt, meine Phantasie, die sich zwischen die beiden legte. (Wo zum Henker war das Mädchen? Und wie hieß es noch einmal?) Hannes grinste, als hätte er das Spektakel bezahlt und würde uns gönnerhaft darauf einladen. Wieder Gesprächsfetzen: Es sei, als legte man Platten auf, sagte Hannes. Zwischen zwei Platten käme jedes Mal ein kleiner Tod, doch gleich darauf setzte wieder eine neue Nummer ein, noch treibender als die vorige. Leo nickte bewundernd. Ich hingegen fand nicht den geringsten Sinn in dem Gerede. Ich verpasste ständig ein paar Sätze, hinkte hintendrein, obwohl ich glaubte, ihm konzentriert zuzuhören.
    Noch ein Schluck. Es pumpte. Wir bewegten uns nicht mehr im Raum, der Boden verschob sich unter unseren Füßen, und ich war ein langes, langes Pendel.
    Ein neuer Track begann, die Scheinwerfer erwachten hektisch zum Leben. Eine Welle weißen Lichts flutete den Raum. Hannes breitete die Arme aus, der Kopf nickte großspurig zum Big Beat. „Du hörst einem Track zu“, sagte er, „denkst dabei aber schon an den nächsten. Dann ziehst du nur noch den Crossfader über das Mischpult, und die Musik findet einen neuen Höhepunkt.“
    Hannes’ Umrisse pulsierten. Im Flimmern saß auf seiner Schulter plötzlich eine Fliege. Ich starrte das Insekt an wie ein Gespenst. Es starrte zurück. Das Licht brach sich in den Flügeln. Und ich: Chamäleon – meine Hand schnappte vor wie eine klebrige Zunge, griff nach der Fliege und erwischte dabei Hannes’ Schulter. Er musterte mich verständnislos, schreckte fast zurück. Eine Anmaßung, ihn zu berühren. Ich betrachtete meine geballte Faust, öffnete sie. Zuerst sah man nichts, dann erhob sich die Fliege und wirbelte auf einer kreiselnden Bahn in die Höhe. Ich blickte der Erscheinung nach. Sie trat in eine Umlaufbahn um Hannes’ Kopf ein. Er schlug mit der Hand nach dem Tier und traf. Das Licht erlosch.
    Noch ein Schluck, pum-pum, und Hannes ging hinüber zum DJ, wechselte einige Worte mit ihm. War es nur Zufall? Die Musik wurde heruntergedreht, kaum dass Hannes das erste Wort gesagt hatte. Ein kleiner Tod; dann eine neue Platte.
    Eine klirrende Melodie kam aus den Boxen, ein Bass legte sich unterstützend darunter, federte die Melodie ab. Hannes kam zufrieden lächelnd zurück. Das Lied kam mir bekannt vor. Ich erinnerte mich aber nicht an den Titel. Hannes hielt die Faust in Brusthöhe und prügelte bei jedem Bassschlag ein Loch in die Luft. Prodigy.
Baby’s got a temper
.
    Aus den Boxen röhrender Gesang und auf der Tanzfläche – das Mädchen. Auch sie ballte die Faust, auch sie warf den Kopf gegen den Beat wie einen Ball an die Wand. Ich verstand nur einzelne Textteile, der Boden unter den Füßen hüpfte mit mir davon, Samples wie Feuersirenen.
This baby’s got a temper. You’ll never tame her!
    Stopp!
    Halten wir die Erzählung an. Denn dieses Lied ist ein Schlüssel. Das weiß ich heute. Dieses Lied hätte mir vieles erklären können! Hannes’ Soundtrack. (Ich habe einen Auftrag für Sie, James! Recherchieren Sie den Liedtext! Ermitteln Sie! Googeln Sie doch!) Singen wir mit:
Just forget it all
.
    Drücken wir wieder auf Play: Hannes schrie triumphierend, der Abend gehe jetzt erst richtig los, das spüre er. Dabei stieß er mich an, (Easy! Easy!, sagte meine Stimme. Das Stehen fällt doch jetzt schon so schwer!), und er deutete in die Mitte des Raumes. Und da war sie; warf, wälzte sich in der Musik. Und Hannes raunte mir zu, ich solle nun gut aufpassen, es sei eine Vorstellung, eine Demonstration. Ich solle es mir merken, daraus könne ich was lernen! Wenn das hier hinhaute, dann würde ich am nächsten Tag auch davon profitieren! Ich verstand kein Wort. Ich hantelte mich immer noch an Hannes’ Finger entlang, mein Blick kletterte seinem Ziel nach. Als ich endlich verstand, dass er von dem Mädchen sprach, da stand Hannes schon an der Bar, da kam Hannes schon mit zwei Cocktails zurück, da steuerte Hannes schon auf das Mädchen zu. Ich fühlte den Phantomschmerz einer vergebenen Chance: Ich sah Hannes auf sie zugehen, er rührte die Drinks mit dem Strohhalm um, grinste, kam ihr immer näher. Ich griff mir an die Stirn und bemerkte, dass ich schwitzte.
    Durch mich ging ein Ruck, eine hässliche Wut. Draufhalten, die Herrschaften! Ich erwachte aus meiner Starre, steuerte ebenfalls auf

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