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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Projekt zu vollenden. Beim Anblick des lädierten Sohnes, der anderthalb Stunden später den Nyboværftsvej hinaufgeschlingert kam, dachte Bjørk sofort, der Plan sei mißlungen, allerdings wirkten die beiden so überdreht, daß Großmutter bald verstand, daß der Sturz nur das Tüpfelchen auf dem »i« gewesen war.
    Noch am selben Abend kam es zu einer Änderung der ungeschriebenen Regeln, denn nun hielt sich Segelohr mit einemmal im Garten des Schmiedes auf, während Marianne aus dem Fenster hing. Bjørk wollte gern wissen, was sie taten, und so gewöhnte sie sich an, nachts heimlich aufzustehen, um das verrückte Liebespaar zu beobachten. Stundenlang saß sie in der kalten Küche, ohne das Licht einzuschalten, die Augen starr auf die Bewegungen draußen gerichtet. Einerseits meinte sie, es wäre ihr gutes Recht, ein waches Auge auf ihren Sohn zu haben, andererseits fühlte sie sich wie eine Glucke, und mit der Zeit auch wie eine Spionin, die unter Bettdecken schnüffelt. Nach allem, was Bjørk sehen konnte, verbrachten die zwei viel Zeit damit, einander an den Händen zu halten, sich zu küssen und abwechselnd mit den Nasen zu reiben. Großmutter konnte natürlich nicht hören, daß sie auch eine Unmenge von Zeit darauf verwendeten, sich Witze zu erzählen und zwischen den Lachanfällen Pläne für neue, große Projekte zu schmieden. Hochspannungsmasten wollten sie hochklettern, über Wasserleitungen balancieren oder sich auf die zerbrechlichsten Eisflächen im Limfjord wagen – alles Pläne, die sie im Laufe des Winters durchführten, nun beide in der Rolle des wagemutigen Draufgängers. Schon bald entwickelte sich eine gewisse Konkurrenz zwischen ihnen.
    In einer eiskalten Januarnacht bemerkte Bjørk, daß der Sohn nicht mehr länger vor Mariannes Fenster stand, nein, er hing über dem Fensterbrett, halb draußen, halb drinnen, und strampelte in der nächtlichen Dunkelheit mit den Beinen. Verrückter Affe , dachte sie und seufzte laut. Das Ausspionieren des verliebten Teenagerpaares erinnerte sie sehr an ihre eigenen Jugendjahre. All die Überlegungen, die sie angestellt hatte, um den Richtigen zu finden, und dann war sie doch hier in einer Vorstadt von Ålborg gelandet, und ihre Gedanken glitten rasch weiter zu Thor. Bjørk wußte, daß nicht Thor ihre große Liebe war, sondern eine andere, weniger kubistische Ausgabe von Askild; aber er hat uns verdammt schnell auf ein Nebengleis gebracht , dachte sie und fand Trost in dem Gedanken, daß sie sich noch immer scheiden lassen konnte, wenn die Kinder groß genug waren. Aber dann vertrieb sie diese Gedanken aus ihrem Kopf, denn im Fenster der Nachbarn spielte sich jetzt ein neuer Wettkampf ab: »Darf ich reinkommen, nur eine Minute?« fragte Segelohr, der am Fensterbrett schaukelte, und Marianne, die sich noch immer als eine Zauberkünstlerin mit einer Reihe von magischen Tricks begriff, die man klugerweise nicht alle auf einmal verraten sollte, schubste ihn kichernd hinaus, während er umgekehrt versuchte, sich hineinzuquetschen. Doch jedesmal, wenn Segelohr das Gefühl hatte, daß Marianne nachgab und nur eine letzte, kleine Kraftanstrengung nötig war, um ins Zimmer zu kommen, ließ ihn irgend etwas zögern. »Im Sommer«, erklärte Marianne, als sie sein Zögern spürte, »wenn ich sechzehn geworden bin – dann darfst du reinkommen.«
    Er führte keine Strichliste an der Wand. Er schnitt von keinem Maßband Zentimeter um Zentimeter, er zählte auch nicht die Tage. Dennoch freute er sich auf das erste Mal, an dem er – wie Ali Baba in die Räuberhöhle – in ihr Zimmer krabbeln durfte. So wurde es Frühjahr – die Zeit kam näher –, und der Schmied begann inzwischen immer häufiger, von diesem Grönland zu sprechen. »Nur über meine Leiche!« protestierte Karen lautstark im Haus am Nyboværftsvej, wenn sie sich nicht gerade mit ihrer Tochter stritt, die in letzter Zeit ziemlich vorlaut geworden war, nicht mehr länger Muttis liebes Mädchen, und nun hat Erik sogar Bewerbungen geschrieben, was bildet der sich ein, ich gehe nicht nach Grönland, wieso bin ich gerade jetzt so vom Unglück verfolgt? Karen warf einen Blick auf die Straße und hatte sofort die Ursache all ihrer Probleme im Blick. Einen betrunkenen Norweger, der eine alte Gewohnheit wiederaufgenommen hatte, mit dem Papagei Kaj auf der Schulter herumwankte und dabei lautstark Selbstgespräche über diverse Arten von Hunden führte.

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