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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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waren sie zum ersten Mal allein. Sie war fünf Jahre jünger als Askild, und ihre Faszination für ihn war eher von kindlicher Neugierde als von heftigen Gefühlen bestimmt. Als sie nebeneinandergingen, hatte sie das körperliche Empfinden, daß er sie beobachtete, aber jedesmal, wenn sie zu ihm hinüberschaute, starrte Askild auf den Boden. Er sah aus wie einer, der Angst hatte zu stolpern, und Bjørk mußte sich eine gewisse Verwirrung über all die sich widersprechenden Eindrücke eingestehen, die sie von ihm hatte.
    Nach einem halbstündigen Spaziergang erreichten sie den Assistensfriedhof und blieben vor dem Grabstein von Großvater Rasmus stehen, der vor gut siebzig Jahren vom Nordland nach Bergen aufgebrochen war und die Familienreederei begründet hatte. Und genau hier und jetzt, als Bjørk ihre Geschichte von Rasmus Svensson, der wegen seiner Geschäftsmethoden auch Rasmus Raffzahn genannt wurde, zu Ende erzählt hat, stellt sie sich auf die Zehenspitzen und küßt Askild auf die Wange. Das war alles. Weitere Worte wurden nicht gewechselt. Zweimal versuchte Bjørk, von Askild etwas über das Leben auf See zu erfahren, aber Askild antwortete eher ausweichend. Es begann zu schneien, und Bjørk machte einen Schneeball und warf ihn Askild in den Nacken. Er lachte und erzählte, daß er bei der Musterung durchgefallen war. Dann verstummte er wieder, und schweigend gingen sie zurück. Bjørk mit dem furchtbaren Verdacht, daß sie ihn langweilte, und Askild mit dem eindeutigen Gefühl, daß heute sein Glückstag sei. Als sie wieder vor der Villa am Kalvarvei standen, richtete er sich auf und nahm Bjørks Hand. Bjørk schenkte ihm ein rasches Lächeln und lief den Gartenweg hinauf, Askild trottete heim zu seinem Zimmer bei der Witwe Knutsson.
    Am darauffolgenden Donnerstag stand Askild wieder vor der Villa am Kalvarvei, bekleidet mit einem dunklen Diplomatenmantel, den er sich vom Erlös der Schmuggelei gekauft hatte. Es dauerte nicht lange, bis Bjørk auf den Gartenweg trat und sich ihre weißen Wollhandschuhe anzog. Sie gingen exakt den gleichen Weg wie in der Woche zuvor, blieben vor Rasmus’ Grab stehen, über dem die Bäume sich im Wind wiegten, und küßten sich hastig, bevor sie den Rückweg antraten. Oft wechselten sie nur wenige Worte, doch die nächsten Jahre gingen sie jede Woche die gleiche Route und wiederholten das gleiche Ritual, das ihnen allmählich das Gefühl vermittelte, eine gemeinsame Vergangenheit zu haben.
    Nicht eine einzige Woche versäumte es Askild, um halb vier vor der Patriziervilla am Kalvarvei zu erscheinen, selbst als Norwegen von den Deutschen besetzt wurde, die Schlacht um Trondheim Schockwellen über das ganze Land sandte und Lebensmittelmarken und Warenmangel das Geschäftsleben bestimmten. Thorsten organisierte in aller Eile seine Frachtschiffe neu, so daß sie nun zwischen England und der freien Welt pendelten, und Vater Niels’ Amanda wurde nach der Invasion zu einem Passagierschiff mit festen Destinationen in den unruhigen Gebieten im nördlichen Norwegen degradiert.
    Als es zum Krieg kam, explodierte der Markt, und obwohl die Schiffahrt eingestellt wurde und die einzigen norwegischen Schiffe, die nun im Hafen festmachten, Passagier- und Fischerboote waren, fand Askild sofort neue Möglichkeiten, die illegalen Kneipen zu versorgen. Der Russe kannte einen Mann auf der Insel Store Sotra, der gut war für eine große Menge selbstgebrannten Schnaps, und Erik Rotbart hatte einen Schwager in Tysnesøy, der falsche Etiketten und Banderolen liefern konnte.
    So wurde aus Askild nach und nach ein wohlhabender Mann, der alle vierzehn Tage ein kleineres Vermögen in die Matratze seines gemieteten Zimmers in der Håkonsgate nähte. Daß sich die Schmuggelaktivitäten allmählich zu einer risikoreichen Angelegenheit entwickelten, kam Askild nur in den Sinn, wenn er nachts mit Schweiß auf der Stirn erwachte und einige wahnsinnige Sekunden lang daran dachte, alle Spuren zu beseitigen und nicht zu erscheinen, wenn das nächste Schiff am Kai anlegte. Dieses Gefühl hielt jedoch höchstens so lange an, bis die ersten Sonnenstrahlen durch die Ritzen zwischen den Gardinen der Håkonsgate glitten, denn die ersten Kriegsjahre waren eine gute Zeit für Askild. Je mutiger er während der wöchentlichen Spaziergänge mit Bjørk wurde, desto mehr Schmuggel- und Schwarzmarktaktivitäten setzte er in Gang – und um so größer wurden seine Pläne für die Zukunft. Im stillen schuftete er noch immer

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