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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Besuch in der Werkstatt verschwunden, nur das Lachen nicht. Die Rede ist von einem Lachen, das ich auf einer dämonischen Kassette aufgenommen hatte, die ich weder abzuhören noch wegzuwerfen wagte. Und obwohl ich das Band nie abspielte, hörte ich ständig dieses Lachen. Es schlich sich in meine Hundskopfträume und vermischte sich mit dem Geräuschen meiner Schwester, die ein Bad nimmt. In der folgenden Zeit stiegen die Heizkosten, und der Wasserverbrauch erreichte schwindelnde Höhen. In dem Tropfen und Planschen, im Rauschen der Wasserrohre hörte ich das Geräusch eines neuen Zeitalters, auf das ich auch diesmal keinerlei Einfluß hatte. Das Geräusch meiner Schwester, die die Demütigung ihres Körpers abzuwaschen versuchte. Meine Schwester, die sich mehrfach am Tag in das dampfende Wasser der Badewanne sinken ließ. Einmal, sie hatte vergessen, die Tür abzuschließen, stürmte ich hinein und sah einen bleichen Körper, der mit offenen Augen am Boden der Wanne lag und vor sich hin starrte. Ihr dunkles Haar floß in alle Richtungen, und als sie den Stöpsel gezogen hatte, wickelte sie sich in ein Handtuch und hinterließ den ganzen Weg zurück zu ihrem Zimmer eine nasse Spur, wie eine undichte Meerjungfrau.
    Wenige Wochen nach der Vergewaltigung sagte sie zu Vater und Mutter, daß sie das Gymnasium wechseln wolle; im Stadtteil ließ sie sich nur noch blicken, wenn sie ihn zügig mit dem Fahrrad durchquerte. So versuchte sie, unsichtbar zu werden, und auch die Freier verschwanden aus unserem Leben. Ein paarmal hörte ich noch ihr prüfendes Klopfen gegen die Scheibe, aber Stinne ließ sie nie herein. Schließlich gaben sie auf. Nun war es vorbei mit Blumen, vorbei mit schwachköpfigen Sätzen, und der einzige, der hereinkommen durfte, war Peter. Häufig saß er in unserer Küche und schlürfte Tee. Er konnte sie zum Lachen bringen, aber nie bekam er die Erlaubnis, sie zu berühren. »Solange er mit seinem Vater-Mutter-Kind-Mist ankommt, ist er doch sehr süß«, sagte Stinne. Aus ungewissen Gründen hatte sie sich mit Stigne verkracht, und meine rothaarige Kusine blieb für mich die nichtexistente Liebesaffäre meiner frühen Jugend.
    Der Spundpfropfen hat nie einen Ton über die Angelegenheit verloren und kam auch nicht mehr mit Haarbändern und kleinen Parfumfläschchen. Statt dessen brachte er jetzt Bücher mit, die er ohne Wissen unserer Eltern in Stinnes Regal stellte; Titel wie Das Frauengesundheitsbuch oder Vergewaltigung und Therapie , die meine Schwester allerdings nie las. »Was soll ich mit dem Scheiß?« sagte sie und verbog die Bücher absichtlich so, daß der Spundpfropfen glauben mochte, sie hätte sie gelesen. »Wie findest du das Buch?« fragte er, wenn sie allein waren. »Na ja, ziemlich gut«, lautete Stinnes Standardantwort, »aber auch ’n bißchen langweilig, oder?«
    Und während nasse Fußspuren belegten, daß sich meine Schwester allmählich in eine Meerjungfrau verwandelte, rumorten hinter unserem Rücken alte Geschichten. Damals ahnten wir natürlich nicht, daß eine dänisch-kanadische Bergsteigerin ihr Entree in unsere Geschichte vorbereitete. Ein Vierteljahrhundert zuvor hatte Großmutter spät in der Nacht einen waschechten Dämon gesehen, und drei ist bekanntlich eine magische Zahl. Zum ersten Mal offenbarte sich der Dämon am Ende eines Teleskops. Zum zweiten Mal gab er sich in einer unbekannten Anzahl rosafarbener Briefe zu erkennen, und zum dritten Mal sollte er mit frisch gepuderter Nase aus der Damentoilette eines mondänen Restaurants treten und zwei lichtscheue Kaufleute um den Verstand bringen.
    …Ja, es tropfte in unserer Geschichte. Die Wasserrechnung wurde vom Finanzamt bezahlt. Und Stinne wurde nicht schwanger.

Die Bergsteigerin
    A n einem frühen Junimorgen des Jahres 1989 öffnete mein Vater einen unbedeutend aussehenden Brief vom Finanzamt und wurde von dem stärksten Schwindelanfall in die Knie gezwungen, der ihn je überkommen hatte. Und das will schon einiges heißen. Er hatte in letzter Zeit häufig Schwindelanfälle gehabt. Zwei Tage zuvor war eine der üblichen Streitereien mit Leila eskaliert, und entgegen aller Gewohnheit hatte Niels sich nicht damit zufriedengegeben, ihr den Rücken zuzuwenden und aus dem Fenster zu sehen. Statt dessen hatte er sich unvermittelt umgedreht und in einer langen Suada zum ersten Mal überhaupt seine Version der Geschichte dargelegt. Offiziell galt er als ein Workaholic, der mehr an seine Geschäfte als an alles andere

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