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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Everest bestieg. Sie erreichten den Gipfel. Sie standen dort oben. Die Welt lag zu ihren Füßen, Triumph, Triumph, aber abgesehen von dem Rausch, der sie beide frösteln ließ, hatte sie auch das unerwartete Gefühl der Enttäuschung. Nun konnte sie nicht höher hinauf. Und der Abstieg, der sie erwartete, war auch ein Abstieg in übertragener Bedeutung. Aber sie schlug sich diesen Gedanken aus dem Kopf, und auf dem Rückweg wurden sie nach und nach so albern, so übermütig wie Hundewelpen, so kindisch wie zwei Sechzehnjährige, die halsbrecherische Aktivitäten planen, daß McWalter am dritten Tag eine Gletscherspalte in einer Eismoräne falsch einschätzte. Es war ein dummer Fehler, es gab keinen Grund, daß er, so weit vom Gipfel entfernt, dreißig Meter tief stürzte und unmöglich wieder heraufgezogen werden konnte.
    McWalters letzter Abstieg hieß ihr Buch, das in Kanada ein ziemlicher Erfolg wurde. Ihre Art, mit dem Verlust ihres Freundes umzugehen, hatte etwas Beunruhigendes. Denn nicht nur Trauer war zwischen den Zeilen des Buches zu lesen: »Möglicherweise hätten wir beide dort enden sollen. Möglicherweise war es ein Fehler, daß ich den Abstieg bis zum Basislager fortsetzte. Warum nicht die Konsequenzen tragen? Der ultimative Abstieg nach dem ultimativen Aufstieg.«
    Ja, man hatte das Gefühl, als wäre tatsächlich etwas Halsbrecherisches an ihr. Und sie fand neue Ulmen. Es gab noch andere Berge auf der Welt, und ihr war es egal, ob die Leute redeten. Großmutter wußte es die ganze Zeit. Für sie war Marianne Qvist immer ein Dämon gewesen.
    »Was?« fragte der Spundpfropfen und glotzte ungeduldig in Richtung Toiletten. Doch bevor er etwas sagen konnte, ging die Tür auf, und heraus kam Marianne Qvist mit frisch gepuderter Nase. Sie warf das Haar zur Seite, machte einen Schmollmund für den Spundpfropfen, der sofort aufstand, um sich das Hemd glattzustreichen, und ging ohne zu zögern auf ihren Tisch zu. Ihr ehemals so fülliges Gesicht war markanter geworden, die Nase schien größer, ein Netz feiner Falten zog sich um die Augen, doch gerade von den kalten Gipfeln des Himalaja zurückgekehrt, war sie in Bestform, und der Frost, der noch vor wenigen Wochen drohte, ihre Wangen zu zerfressen, ließ sie nun rot und gesund aussehen.
    »Tag«, sagte sie, als ob es die natürlichste Sache der Welt war, daß Niels junior Segelohr dort saß. »Wollten wir nicht mal zusammen durchbrennen?«
    Mein Vater antwortete nicht.
    »Ihr kennt euch?« fragte der Spundpfropfen.
    »Hör mal, hast du graue Haare bekommen? Ach nein, das ist ja bloß Farbe. Tja, wenn Slotsholm mir nicht so viel von dir erzählt hätte, würde ich meinen, du hättest dich in der Stadt verlaufen, du siehst ja aus wie ein Malergeselle. Was macht übrigens der Papagei? Hast du noch ein paar nackten Mädchen nachspioniert? Und wie geht’s deinem Vater – hat er sich totgesoffen?« sagte Marianne Qvist, ohne Luft zu holen – und fing an zu husten.
    »Ich glaub echt, dein Freund ist darauf aus, mich besoffen zu machen. Er meint, ein Glas oder zwei zuviel könnten mich alte Frau dazu bringen, die Hose herunterzulassen, aber ich habe die ganze Zeit gesagt: Finger weg, Slotsholm. Nach einem guten Abendessen würde ich soweit gehen und sagen, daß du im Besitz eines gewissen Charmes bist, aber die Hose ziehst du mir nicht aus … Und was ist mit dir?« fuhr Marianne Qvist etwas angetrunken fort, während sie einen bezaubernden Blick ausschickte, der die beiden zwielichtigen Geschäftsmänner in die Magenkuhle traf: »Du bist glücklich verheiratet? Kinder und alles, höre ich, und du hast dir einen Schnurrbart wachsen lassen, das ist doch wohl ein Mißverständnis?«
    Zu diesem Zeitpunkt hatte bei meinem Vater bereits der zweite große Schwindelanfall innerhalb eines Tages eingesetzt. Die Wände drehten sich, der Boden schwankte, und inmitten dieses schnurrenden Karussells saß eine zweiundvierzigjährige Bergsteigerin.
    »Na, die Sprache verschlagen, was? Ja, ich hatte selbst so ein Gefühl – wegen Slotsholm, weißt du. Er redet die ganze Zeit von dir. He, Slotsholm, bestell ein wenig Champagner. Ich glaube, unser kleiner Freund muß sich ein bißchen stärken. Es ist nicht immer schön, von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden.«
    Damit hatte sie recht, denn während Marianne Qvist ohne Unterlaß quasselte, fuhren ihm verwirrende Rudimente eines halben Lebens durch den Kopf; Möglichkeiten, die ausgeschlagen worden waren, im

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