Hundsköpfe - Roman
Morgenrot verlassen. Als sie zurück in die Stadt schlichen, begannen die Vögel auf den Dächern der Häuser zu singen. »Wir warten mindestens zwei Wochen, bevor wir es verkaufen«, insistierte Askild, und als sie später den Fröhlichen Zirkuswagen betraten, um ein geglücktes Debüt mit Frühstück und selbstgebranntem Schnaps zu feiern, waren sämtliche Bedenken wie weggeblasen.
Nach dem Diebstahl trafen sich Askild und Bjørk noch zweimal am Ende der Kong Oscars Gate. Sie gingen ihren gewohnten Weg, küßten sich aber nicht mehr vor Rasmus Raffzahns Grab, das von dem Tag an in einer stillschweigenden Übereinkunft von ihrer Route gestrichen wurde, an dem die Deutschen die Ingrid Marie versenkt hatten. Während des ersten Spaziergangs war Askild in glänzender Laune und versicherte Bjørk, daß die Dinge sich gut entwickelten. Er sprach mehrfach davon, Bergen zu verlassen, und gab ihr in zweideutigen Wendungen zu verstehen, daß er alles im Griff hätte.
In der Woche darauf war er verändert. Er machte einen zerstreuten Eindruck, und als Bjørk fragte, was denn los sei, raunzte er nur: »Das verdammte Ohr irritiert mich!« Sonst sagte er so gut wie nichts und hörte auch nicht zu, wenn Bjørk etwas sagte. »Ich habe versucht, mit meiner Mutter zu reden«, erzählte sie, »sie ist auch der Ansicht, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis Papa seine Meinung ändert.« Da Askild nicht antwortete, kniff sie ihm in den Arm und rief: »Hörst du mir eigentlich zu?« Askild nickte und brummte: »Natürlich, ich bin nur nicht so sicher.« Ohne ein weiteres Wort setzten sie ihren Spaziergang fort. Nach einiger Zeit fragte Bjørk, ob sie nicht umdrehen wollten, und Askild drehte sich wie auf Kommando um und folgte ihr bis zum Kalfarvei. Dort gab er ihr einen hastigen Abschiedskuß, und wieder ging sie mit dem vertrauten Gefühl zur Villa hinauf, daß sie ihn langweilte – ohne zu ahnen, daß zwei Jahre und siebenundzwanzig Tage vergehen sollten, bevor sie ihn wiedersah.
In der folgenden Woche tauchte er nicht auf.
Bjørk wartete zwei Stunden am Ende der Kong Oscars Gate. Plötzlich fielen ihr die Säcke in Askilds Zimmer ein, die dunklen Ränder unter seinen Augen, der neue Anzug, den er getragen hatte. Ein wirkliches Bild konnte sie sich nicht machen. Alles verschmolz in einem so eigenartigen Gefühl, daß es ihr kalt den Rücken hinunterlief. Sie wartete eine weitere Viertelstunde, in der das Bild, das allmählich in ihrem Inneren entstand, lediglich durch Askilds zweideutiges Gerede über seine Zukunft und seine glänzende wirtschaftliche Situation ergänzt wurde. Nein , sagte sie sich, nichts, worüber man sich aufregen sollte .
Dennoch ging sie nicht zurück zum Kalfarvei, sondern in Richtung Fischmarkt. Als sie Torgallmenningen erreichte, begann sie langsam zu laufen, und am Ole Bulls Plass rannte sie. An der Ecke der Håkonsgate stolperte sie, schlug mit dem Knie gegen den Bordstein und schrammte sich eine Hand auf, als sie den Fall auffangen wollte. Vor Witwe Knutssons Wohnung war sie dermaßen außer Atem, daß sie kein Wort herausbekam. Sie klopfte fünfmal, bevor die Knutsson »Was ist?« schrie und die Tür mit einem biestigen Gesichtsausdruck aufriß, der sich allerdings sofort in ein unglückliches Heulen verwandelte.
»Sie haben ihn mitgenommen!« brach es aus ihr heraus. »Gestern abend haben sie ihn verhaftet, und der arme Herr Karl, gut, er stank wie ein ganzes Wirtshaus, aber ihn einfach abzuknallen wie einen Hund! Schmuggelei!« Sie griff sich an die Stirn, »Schmuggelei im alten Arbeitszimmer meines seligen Peters, stellen Sie sich das mal vor, Fräulein Svensson. Und mit so einem geben Sie sich ab, wo Sie doch aus einer vornehmen Familie kommen und auf Ihren Ruf achten müssen!«
Einige wenige Sekunden ging das Geheul der Witwe Knutsson in ein lautstarkes Geflenne über, dann explodierte sie erneut.
»Hunde!« schrie sie Bjørk mitten ins blaß gewordene Gesicht. »Die haben keinen Respekt vor dem Eigentum anständiger Leute. Sie sind nachts gekommen und haben alles durchwühlt.«
»Wer?« fragte Bjørk.
»Die Deutschen«, stöhnte sie und griff sich wieder an die Stirn, »bis auf die Matratze haben sie alles mitgenommen. Der alte Arbeitstisch meines seligen Peters, Kleinholz!«
Zwei Stunden nachdem Askild in einem Zug ein ganzes Glas Urin runtergekippt hat, stürzt er zu Boden. Der Stuhl fällt hintenüber, Großvater hat einen total roten Kopf und stößt merkwürdig röchelnde Laute
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