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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Großmutter Gott und der Welt. »Er entkam den Lagern.«
    Sie merkte selbst, worauf es hinauslief, und sie fing an, ihrem Enkel Postkarten nach Amsterdam zu schreiben: Irgendwo in Ostdeutschland läuft Dein Großvater über eine Ebene, ich habe Angst, daß er nie wieder nach Hause kommt. Doch sie redete nicht über Großvater. Sie redete über mich. Am Ende ihres Lebens war Großmutter der Ansicht, daß ein Sohn, der nie wieder nach Haus kommt, genug für die Familie sei. Komm heim , schrieb sie. Die Bluthunde sind tot … und auch der Hundskopf ist nicht mehr hier.
    Zu diesem Zeitpunkt stand ihr ältester Sohn plötzlich von den Toten auf und fing an, frische Luft aus Bergen zu senden. Zu diesem Zeitpunkt spürte sie wieder den Eissplitter in ihrem Herzen, und als die Ärzte endlich anboten, etwas dagegen zu tun, ja, da fühlte sie den wohlbekannten Druck auf der Brust überhaupt nicht mehr. Es war, als würde alles zerfließen und sich in eine verzaubernde Landschaft verwandeln, in die sie ohne Zweifel hineingegangen wäre, wenn nicht eine Sache noch immer an ihr genagt hätte. Eine Sache ließ sie in der Nacht aufwachen und verwirrt zwischen den zahlreichen Konservendosen herumkriechen. Frische Luft aus Bergen . Sie schnüffelte daran. Sie spielte damit. Sie saß im Dunkeln auf dem Boden und atmete den wohlbekannten Duft von Vågen, dem Fischmarkt, Skansen und dem Neubaugebiet ein. Sie sah die Patriziervilla am Kalfarvej vor sich. Sie verirrte sich bis in das alte Zimmer der Kapitänswitwe Knutsson, doch sie spürte auch etwas anderes. Einen eisigen Wind, einen schwindelnden Fall von den Gipfeln des Mount Blakhsa … Zweifel machte sich breit. Der Zweifel wuchs in ihr wie eine himmlische Stadt und ließ sie in die Operation einwilligen. Sie mußte Zeit gewinnen. Sie mußte das Mysterium der frischen Luft aus Bergen aufklären, doch jedesmal, wenn sie näher kam, jedesmal, wenn sie eine unbekannte Zahl rosafarbener Briefe in das dunkle Grab segeln sah, fiel die Klappe, und sie fand weder Anfang noch Ende ihrer Geschichte.
    »Da ist etwas, was nicht stimmt«, sagte Großmutter.
    Aber schließlich kam er. Gerade als ihr allmählich bewußt wurde, daß wir sie zum Narren hielten und nicht ihr ältester Sohn der wohltätige Absender der frischen Luft aus Bergen war, stand er vor ihr und lächelte. Der kleine Segelohr war zurückgekehrt, und neben ihm stand Leila. »Danke für die frische Luft«, sagte Großmutter, und sie antworteten: »Aber doch nicht dafür, Mutter.«
    Ja, da stand das glückliche Paar, und dann glitten die Landschaften heran, und plötzlich stand Askild da und wartete weit drinnen in einer verschwommenen Komposition – er stand unter einer Birke. In der einen Hand hielt er seinen Stock, in der anderen einen alten Pinsel: Jetzt haben wir aber lange genug gewartet , sagte er. Ja, kleiner Askild, flüsterte Großmutter, nun sind wir zu Hause, nun sind wir endlich zu Hause angekommen  – und dann schloß sie ihre Augen und öffnete sie nicht wieder.
    Doch, sie öffnete sie noch ein einziges Mal: »Das Schmuggelgeld!« sagte sie und starrte uns an. »Ich habe es hinter dem Schuppen vergraben.«

Der Krug am Ende des Regenbogens
    D as war’s dann wohl«, sagte Stinne, »jetzt gibt’s doch wohl kaum noch etwas zu erzählen.«
    Stinne hat recht, es gibt fast nichts mehr zu erzählen. Keine weiteren Bilder sind zu malen, keine weiteren leeren Leinwände aufzuziehen. Jede Geschichte hat ihre eigene Leinwand bekommen, und während die letzte in der vergangenen Woche in Stinnes Gästezimmer hing und trocknete, starb Großmutter in ihrem Krankenhausbett. Die Ärzte hatten so intensiv nach dem Eissplitter in ihrem Herzen gesucht, daß ihre Systeme in Unordnung gerieten. Nach der Operation wachte sie nur noch einmal auf. Wir konnten ein paar Minuten mit ihr sprechen. Sie war überzeugt, daß ich Vater war und Stinne Mutter. Sie faselte ein bißchen über die frische Luft aus Bergen und gab uns zum Schluß einen Hinweis, wo wir unser Erbe finden könnten. Dann schloß sie die Augen zum letzten Mal, und zu ihrem Begräbnis erschien keine Bande von Saufkumpanen, nur einige wenige Seelen aus dem Spielklub hatten den Weg gefunden. Eine Frau Meier und eine Frau Nielsen, die beide so beharrlich nach Bjørks ältestem Sohn fragten, daß wir einen Augenblick stutzten. Hatte Großmutter nie erzählt, daß Vater tot war?
    »Und der Jüngste«, insistierten sie, »der jamaikanische Geschäftsmann? Hat sein Flugzeug

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