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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Burundi, ein einzelner aus Amsterdam und eine kleine Handvoll aus Bergen. Großmutter las sie alle laut vor, und hätte es nicht die taube und blinde Mutter Randi im alten Zimmer der Tante gegeben, sie wäre zweifellos ins Krankenhaus gezogen. Inzwischen mußte sie dreimal am Tag nach Hause, um ihre Schwiegermutter zu füttern, im späten Alter wurde sie erneut zur Mutter von zwei Windelkindern. Die Zeit verging, und sie brachte es nicht übers Herz, Mutter Randi zu erzählen, daß Askild ins Krankenhaus gekommen war. Die Schwiegermutter schien nichts bemerkt zu haben, denn ihr Leben reduzierte sich inzwischen auf das, was am einen Ende herein- und am anderen wieder herauskam. Auch an dem Tag, als Großmutter mit Blumen für eine Person kam, die nicht mehr da war – obwohl er in einem abgelegenen Einzelzimmer in seinem Bett lag und aussah wie ein ohnmächtiges Vogeljunges –, erzählte sie Randi nichts. Es war alles so unwirklich, die Blicke der Krankenschwestern, Askilds toter Körper. Natürlich sollte er zu Hause aufgebahrt werden, und so kam es, daß der tote Askild in eines der Zimmer am Tunøvej gebracht wurde. In dem anderen saß eine blinde Greisin, und jedesmal, wenn Großmutter von einem Zimmer zum anderen ging, kam sie an einem Landschaftsbild vorbei und blieb stehen, verzaubert und versteinert. Wen kann man anrufen? Braucht man eine Genehmigung? Askild wollte verbrannt und in der norwegischen See verstreut werden, aber wie arrangierte man so etwas?
    Im Flur stehend – belastet durch die Botschaft, die sie der blinden Greisin nie überbracht hatte –, befiel Großmutter lähmender Zweifel, währenddessen sich der süßliche Gestank nach Verwesung im Haus ausbreitete. Er drang in die Teppiche und Gardinen, klebte in ihren Kleidern und wurde erst an dem Tag erlöst, an dem Stinne und der Spundpfropfen nach einem vergeblichen Besuch im Krankenhaus durch die Tür stürmten. »Pfui Teufel«, heulte Stinne auf und zog ihr T-Shirt vor die Nase, »wieso hast du uns nicht erzählt, daß er tot ist?«
    Als erstes ging sie zu Askild in Vaters altes Zimmer, wegen des Gestanks drehte sie sich allerdings auf der Stelle wieder um und warf die Tür hinter sich zu. Dann ging sie ins alte Zimmer der dicken Tante und bekam den nächsten Schock. Mutter Randi war zwar blind und taub, aber ihr Geruchssinn war noch vollkommen in Ordnung gewesen. Sie hatte den Gestank eingeatmet. Sie war ein letztes Mal aufgestanden und lag nun tot auf dem Boden. Die Augen waren so tief in ihrem Kopf verschwunden, daß Stinne nicht sehen konnte, ob sie offenstanden oder nicht.
    Was für ein Irrenhaus , sagte Großmutter hinterher gern und dachte an die Saufkumpane, die urplötzlich auftauchten, nachdem sie die Todesanzeige gelesen hatten, die Stinne aufgegeben hatte. Eine vollkommen unüberschaubare Anzahl unbekannter Männer, die in die Kirche drangen, in der lediglich der engste Familienkreis saß. Was für ein Aufstand, und was für ein Schock, als wir begriffen, daß Askild gar nicht so ohne Freunde war, wie wir es uns vorgestellt hatten. Kopf hoch, im Himmel gibt’s das bessere Bier , hatten sie auf ein Tuch geschrieben – eine Beleidigung, gegen die der Pastor sicherlich sofort vorgegangen wäre, wenn Großmutter nicht gesagt hätte: »Wo sie nun schon einmal da sind, können sie auch dabeisein.«
    Ja, da saßen nun Großvaters unsichtbare Saufkumpane, mit denen er mehr als dreißig Jahre getrunken hatte; alte wie junge, ein unglaubliches Theater, als sie sich alle aufstellten, um den Sarg zu küssen und ihn mit Blumen und kleinen Briefen zu überschütten, die sie auf die Rückseiten von Bierflaschenetiketten geschrieben hatten.
    Für Überraschungen war er immer gut , sagte Bjørk und dachte an die unglückliche Geschichte mit der Asche. Es passierte in der Woche darauf – als die Einäscherung stattgefunden hatte und die Asche im Odense-Fjord ausgestreut werden sollte; die norwegische See wäre trotz allem zu weit weg, meinte Großmutter. Nur hatte ihr nie jemand erzählt, daß Großvater irgendwann einmal jedem seiner unbekannten Freunde einen Anteil an seinem toten Körper versprochen hatte. Daß er sozusagen über die Hälfte seines Körpers für soziale Zwecke gespendet hatte. Sie hatte ihn nie im Corner sitzen sehen, wenn er mit seiner imaginären Asche um sich warf, dabei lauthals lachte und gleichzeitig die Gelegenheit nutzte, Bier zu schnorren. »Wenn du mir einen ausgibst«, pflegte Großvater zu neuen Gästen zu

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