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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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immer an den Geruch erinnern, wenn ich als Kind in ihr dunkles und muffiges Schlafzimmer am Tunøvej trat. Askilds charakteristischer Gesichtsausdruck, der bittere Zug um den Mund und die dunklen und abwesenden Augen, bei denen einige Leute meinten, er sähe ein wenig böse aus, können auch auf diese Zeit datiert werden. Und was früher ein eher diffuser Geruch nach Alkohol und Terpentin war, begann sich nun, in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre, im Gesicht meines längst nicht mehr so jungen Großvaters abzuzeichnen.
    Die Probleme türmten sich über Askild, bis er eines Abends eine Zeitungsanzeige las. Oder war es umgekehrt? Hatte er die Annonce gelesen, nachdem er seinen Chef rasend vor Wut durch die halbe Werft gejagt hatte, stockschwingend und brüllend, daß er ihm den Arsch versohlen werde. Eine halbe Stunde später fand sich der Chef leichenblaß im Lohnbüro ein, um diesen Askild Eriksson von der Liste streichen zu lassen, und zwar auf der Stelle. So ein wahnsinnig gewordener Nichtsnutz! Am nächsten Morgen klopften zwei Beamte an der Haustür und händigten ihm ein offizielles Verbot aus, sich jemals wieder auf der Werft sehen zu lassen. Bjørk starrte erschrocken auf die beiden Repräsentanten der Ordnungsmacht, und irgendwann, vor oder nach dieser Begebenheit, beugt sich Askild über eine Zeitung und liest eine wortkarge Annonce, bei der sich vor allem das Wort Stavanger in sein Bewußtsein einprägt.
    Es gab niemanden in der Familie, der protestierte, als er eines Abends bekanntgab, daß nun Schluß wäre mit Kristiansand, diesem Scheißloch, und man ins goldene Stavanger zöge, wo es uns gehen werde wie Grafen und Baronen. Bjørk dachte: Stavanger? Das ist doch die richtige Richtung – halbwegs wieder daheim! Und sie sah den Tag vor sich, an dem sie zum letzten Mal die Tür dieses Hauses zuwerfen würde, das von den Ungeheuern des Sohnes und den Geistern des Ehemanns bevölkert war.
    Andere waren skeptischer. »Komm doch endlich zurück nach Bergen, Herrgott, könnte er nicht seine alte Arbeit wiederbekommen?« sagte Line am Telephon. In der Zwischenzeit türmten sich Umzugskartons, Säcke und jede Menge Gerümpel im Haus. »He, Segelohr!« hieß es draußen auf der Straße. »Was ist denn los? Wo wollt ihr hin?«
    Segelohr antwortete »Weg« und rannte ins Haus, um in Pappkartons zu verschwinden und in den nun offen herumliegenden Intimitäten der Familie auf Entdeckungsreise zu gehen: in Unterwäsche, verblaßten Photos und alten Briefen, darunter gar nicht so wenigen von einem gewissen Arzt Thor. Es gelang ihm, die zahlreichen Umzugskartons mit einer so beunruhigenden Anzahl kleiner Ungeheuer zu bemalen, daß die Möbelpacker durcheinanderkamen und der eigentliche Umzug sich in ein reines Chaos verwandelte. Selbstverständlich trug es nicht sonderlich zur Organisation bei, daß Bjørk hochschwanger war. Auch nicht, daß Askild, der in den Tagen des Umzugs die allerbeste Laune hatte, den Möbelpackern selbstgebrannten Schnaps ausschenkte, mit ihnen bis tief in die Nacht hinein Poker spielte und morgens um drei beschloß, die total besoffenen Möbelpacker in die Glückseligkeiten der Jazzmusik einzuführen.
    Und welch ein Blick offenbarte sich den Nachbarn und den spielenden Kindern, als die Familie am Havnebakken in Stavanger eintraf: Am Bahnhof hatte Askild sich in einen alten Klepper verliebt, der auf der anderen Seite des Bahnsteiges stand und auf einem Stück Pappe kaute. Trotz der Proteste der Möbelpacker und Bjørks halbherzigem Versuch, ihren Mann zur Vernunft zu bringen, beschloß Askild, die Schindmähre den Umzugswagen hoch zum Havnebakken ziehen zu lassen.
    Ganz hinten auf der gefährlich schwankenden Ladung lagen drei total betrunkene, schlafende Möbelpacker, die lautstark schnarchten. Ganz vorn saß ein dunkler Mann. In der einen Hand hielt er einen Stock, in der anderen die Zügel, und auf seiner linken Schulter hockte ein Papagei, der abwechselnd »Zum Teufel in der Hölle!« und »Wer da?« krächzte. Neben dem Mann saß eine hochschwangere Frau, die offensichtlich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Und ganz oben auf der Umzugsfuhre, quasi als Zuckerguß auf der Sahnetorte: ein drolliger kleiner Kerl mit zwei gigantischen Ohren, der in einer merkwürdigen Rüstung steckte, die ihn daran hinderte, seine Arme zu bewegen …
    Die Nachbarn versammelten sich in den Hauseingängen, und die Kinder liefen hinter der Fuhre her, ein paar von ihnen ziemlich enttäuscht, als sie

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