Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
Vom Netzwerk:
Schrank unter der Spüle fand. »Was, zum Teufel, ist das denn für eine Rüstung?«
    Segelohr krabbelte leise wimmernd aus dem Schrank, damit sein Papa sich Pontoppidans Korsett genauer ansehen konnte. »Papa, ich will das nicht anhaben, ich will nicht! Dieses Scheißding !« protestierte er und sah seinen Papa bittend an, der sich verwirrt seine schwarzen Bartstoppeln kratzte, bevor er einen raschen Beschluß faßte und brüllte: »Runter mit der Scheiße!«
    Wie bereits erwähnt, hatte Askild nicht Bjørks Vertrauen in die Autoritäten, und schon gar nicht zu Ärzten, die Baumwollhöschen aus ihren schwarzen Hüten zogen. »So kann mein Sohn doch nicht rumlaufen!« stöhnte er und fing an, sich an dem Korsett zu schaffen zu machen, aber aus welchen Grund auch immer, diesmal beharrte Bjørk knallhart auf ihrem Standpunkt. »So hat es Pontoppidan verordnet, es dauert nur ein paar Monate«, rief sie, als Askild an den Riemen und Schlaufen riß, um seinen Sohn aus dem Folterinstrument des Arztes zu befreien.
    »Da scheiß ich drauf«, erwiderte Askild und hatte bereits die erste Schlaufe geöffnet, und dann noch eine, aber Bjørk gab nicht nach. Sie warf sich zwischen Vater und Sohn, so daß der kleine Segelohr fast hinfiel.
    »Sonst fahre ich nach Hause zu meiner Mutter!« schrie sie.
    Einen Moment war es ganz ruhig. Segelohr schaute seine Mutter erschrocken an.
    »Mama, Mama, ich will heim zu meiner Mama«, äffte Askild sie mit einer sarkastischen Babystimme nach.
    »Ich meine es ernst, Askild, ich fahre!« beharrte Bjørk und fing an, ihren Mann an den Schultern zu rütteln.
    »Das ist hier ein Irrenhaus!« brüllte Askild, der im übrigen andere Dinge zu bedenken hatte. Ein ganz bestimmter Ärger braute sich in den Ecken der Werft zusammen, immer der gleiche Quatsch, erst heute hatte es wieder ein paar freundliche Hinweise gegeben, wegen allzu phantasievoller Schiffszeichnungen und kubistischer Inspirationen.
    Askild zog sich ins Wohnzimmer zurück, und dem kleinen Segelohr wurde das ganze Ausmaß des Verrats klar, als er allein mit seiner blöden Mama in der Küche stand. In den folgenden Tagen waren ulkige Rufe auf der Straße zu hören: »Mann, habt ihr Segelohr gesehen! Er trägt ’ne Rüstung!«
    »He, Dumbo, heute ist nicht Karneval!«
    Natürlich wurden die Ohrenbehandlungen fortgesetzt. Diesmal ohne die Möglichkeit der Selbstverteidigung, da das Korsett eines älteren Arztes Segelohrs Bewegungsfreiheit einschränkte, und Bjørk mußte auch weiterhin Schlamm und Schneckenreste aus den Ohren ihres Sohnes pulen. Als sie einen Monat später in Pontoppidans Konsultationszimmer erschien, um sich über die ausbleibenden Resultate zu beklagen, sah der Arzt zehn Jahre älter aus und starrte sie abwesend an.
    »Tja«, sagte er, »sind es wieder die Fußwarzen?«
    »Die Fußwarzen?« entgegnete Bjørk und schaute den älteren Arzt erstaunt an. »Es sind die Ohren, Sie müssen sie sich noch einmal ansehen«, was der Arzt allerdings nicht für notwendig hielt. »Nun schauen wir mal, wie lange es dauert. Alles hat seine Zeit, liebe Frau. Eines Tages wacht man auf, und dann ist alles vorbei«, rezitierte er geistesabwesend.
    Etwas verwirrt, aber dennoch auch weiterhin beruhigt durch den Anblick einer braunen Arztledertasche, der niemals seine magische Anziehungskraft auf meine Großmutter verlor, nahm Bjørk ihren Sohn bei der Hand und ging nach Hause. »Du hast den Arzt gehört«, sagte sie, »eines Tages wird alles wieder gut.«
    Askild ertrug den Anblick von Pontoppidans Korsett noch immer nicht, aber just zu diesem Zeitpunkt waren andere Dinge zu bedenken – wie zumeist in seinem Leben. Da die Orte, an denen er am besten überlegen konnte, Wirtshäuser waren, sah ihn die Familie nicht sehr häufig, und nachdem Bjørk damit gedroht hatte, zurück nach Bergen zu reisen, kommunizierten die beiden nicht mehr als absolut notwendig. Gleichzeitig entwickelten sie eine Angewohnheit, die sie ihr ganzes Leben beibehalten sollten: Punkt sechs aß Bjørk gemeinsam mit Segelohr zu Abend. Danach wurden die Töpfe in Zeitungspapier gewickelt, und alle Herrlichkeiten im Schlafzimmer unter die Bettdecke gesteckt, damit das Essen warm blieb, bis Askild es gegen neun aß. Ihr Schlafzimmer, einst das Refugium ihrer sprachlosen Dunkelheit, wandelte sich zu einer Aufbewahrungsstätte für Fischklöße, gekochten Seelachs und Kohl mit Mehlsoße. Ein schwerer Geruch nach Essen begann, in den Bettdecken zu kleben, und ich kann mich noch

Weitere Kostenlose Bücher