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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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an.«
    Als Askild kurz darauf bei seiner Schwiegermutter anrief, erfuhr er, daß Vater Torsten tatsächlich in dieser Nacht gestorben war. Thorsten war ruhig eingeschlafen und wurde auf Eis gelegt, bis Bjørk genügend Kraft gesammelt hatte, um nach Bergen reisen zu können und an der Beerdigung teilzunehmen. Es vergingen zwei Wochen, doch trotz der kühlen Lagerung hatte Thorsten bereits angefangen zu riechen, so wie auch Askild irgendwann einmal riechen würde, und wie Vater nie roch, denn er sollte tiefgefroren im ewigen Eis liegen.
    Ein schwerer Geruch hing in der Kirche und überlagerte den Duft der Blumen. Bjørk war mit der Neugeborenen allein nach Bergen gefahren und saß neben Mutter Ellen in der ersten Reihe, und mitten in diesem Kampf der Gerüche ahnte sie einen schwachen Duft nach Alkohol und Eau de Toilette, kurz gesagt, den sanften Duft nach Melancholie, der von der dritten Reihe der Kirche aufstieg, in der Thor Gunnarsson auf einem der Plätze saß, die den alten Freunden des Hauses vorbehalten waren. Um die Wahrheit zu sagen, die meisten der alten Freunde hatten sich aus dem Staub gemacht, als die Schiffe in der Tiefe versanken. Thor saß ganz allein in der dritten Reihe, und doch hatte Bjørk das Gefühl, daß es ihm irgendwie gelang, sie auszufüllen.
    Am Tag nach Thorstens Beisetzung begegnete ihr dieser Duft der zerronnenen Möglichkeiten erneut, dieses Mal auf dem Fischmarkt in der Nachmittagssonne und später bei einem Heringshappen in einem der umliegenden Wirtshäuser. Thor, der aufgrund einer Abhandlung über Neurochirurgie bereits eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, benahm sich noch immer wie ein Gentleman. Er betrieb aufmerksam Konversation und tupfte sich mit seiner Stoffserviette sorgfältig den Mund ab – Askild hingegen hatte die unappetitliche Angewohnheit angenommen, den Hemdsärmel zu benutzen –, überhaupt war er so freundlich, daß man hätte in Tränen ausbrechen können. Nur wenn sie wegsah, schlich sich etwas Hungriges in seinen Blick, und wenn sie ganz ehrlich sein sollte, machte er auch einen etwas bedrückten Eindruck, obwohl er keineswegs seinen Humor verloren hatte: »Hoppla«, lachte er, als sie zu Abend gegessen hatten, und mit gewohnter Eleganz fischte er die bekannte Münze aus ihrem Ohr, »da haben wir ja die gute Laune!« Als sie sich verabschiedeten, küßten sie sich ein wenig fester auf die Wangen, als es sich für eine verheiratete Frau und einen alten Freund des Hauses gehörte. Eine seltsame Erregung ließ Bjørks Herz galoppieren, und an Bord des Schiffes zurück nach Stavanger dachte sie: Wieso hole ich nicht einfach meinen Sohn und fahre nach Hause zu Mama? Was mache ich eigentlich in Stavanger? Und im Hafen von Stavanger, als Askild nicht erschienen war, obwohl er es ihr versprochen hatte, setzte sich dieses ruhelose Mahlen fort: Wie ist es eigentlich so weit gekommen, daß ich mich vor meinem Ehemann ekele? Doch als sie schließlich durch die Haustür trat und ihren vergeßlichen Ehemann weniger betrunken vorfand, als sie befürchtet hatte, und ihren vernachlässigten Sohn, der aus seinem Versteck unter der Spüle sprang und ihr freudestrahlend entgegenlief, dachte sie: Oh, wie komme ich nur auf solche Gedanken?
    »Wir sind uns ganz zufällig begegnet!« behauptete Bjørk jedesmal, wenn Askild nachbohrte. »Aber dieser Mann hat mich schon immer verfolgt.«
    Viele Jahre danach hörte sich das in der Küche meines Elternhauses allerdings ganz anders an, da machte Bjørk Bemerkungen, die belegten, daß es sich doch um mehr als nur um zufällige Begegnungen gehandelt hatte: »Damals hätte ich mich wirklich getraut. Da hätte ich mich darauf eingelassen, aber nun bin ich seit über dreißig Jahren mit diesem Suffkopp verheiratet und habe es noch immer nicht geschafft, ihn zu verlassen.« Dann folgte eine genau einstudierte Komödie in zwei Akten.
    Erster Akt: Mutter ging ins Schlafzimmer, holte die Scheidungsunterlagen, die in einem Sekretär lagen, kam zurück in die Küche, legte Bjørk die Papiere vor und bat sie, das und das Feld auszufüllen und dort zu unterschreiben. Mit zitternden Händen gehorchte Großmutter, und wenn die Scheidungspapiere auf dem Tisch ausgefüllt zwischen ihnen lagen, flossen ihre Augen über vor Erleichterung, und sie dankte Mutter von ganzem Herzen. Dann tranken sie Tee, und Bjørk inhalierte ihre Lightzigaretten in langen Zügen …
    Zweiter Akt: Nach dem Tee bekam Bjørk kalte Füße, Mutter sollte die Papiere doch

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