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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Wort in Thors Praxis wiederholt, in der die Stimme meiner Großmutter immer häufiger zu hören war. »Sie hat ›Papa‹ gesagt«, erklärte Bjørk und setzte sich auf Thors Schreibtisch, während der Arzt wie gewöhnlich das Schild an die Tür hängte: Ansteckungsgefahr – kein Zutritt . Bjørk versuchte, Thor die seltsame Stimme vorzumachen, als sie einen Fussel von seinem Hemdkragen wischte, aber es gelang ihr nicht richtig. Zumal es zu dieser Zeit eine andere Stimme gab, die in der Familie für noch mehr Aufregung sorgte als Anne Katrines. Eine Stimme, die durch die Straßen Bergens gellte: »Finger weg, du Esel, du faßt mich nicht an, bevor wir verheiratet sind!«
    Was die Hochzeit angeht, so hat es in der Familie immer Diskussionen darüber gegeben, was wohl in der Hochzeitsnacht passiert sein mochte, als Idas Blick auf Appelkopps tätowierten Schwanz fiel. »Wahrscheinlich war sie entzückt«, behauptete Askild gern, Bjørk hingegen sagte bloß: »Oh, dieser schlimme Kerl.« Trotzdem kam sie immer wieder darauf zurück, und mit den Jahren beschäftigte sie diese Geschichte zusehends, bis sie schließlich eine ihrer Lieblingserzählungen wurde. »So sehr hat er sie geliebt«, beendete sie gern die Geschichte, »daß er ohne Zögern einen wildfremden Mann sein Ding malträtieren ließ.«
    »Was bedeutet malträtieren, Großmutter?«
    »Das bedeutet kaputtmachen, du Blödmann«, antwortete Stinne, »zerstört, ruiniert, funktionsunfähig.« Bjørk nickte zustimmend, und so litt ich viele Jahre unter dem Mißverständnis, daß sich Appelkopp aus lauter Liebe in einen Eunuchen verwandelt hatte.
    Askild führte Appelkopp zum Altar, so wie Appelkopp dreizehn Jahre vorher Askilds Bräutigamsführer gewesen war. Segelohr saß ruhig auf seinem Platz und betrachtete die Zeremonie, während Knut draußen in der Vorhalle der Kirche stand und sich weigerte, an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Tief enttäuscht von seinem Vetter, veranstaltete er während des Festes im Neubaugebiet ein fürchterliches Spektakel. Wenn die Gäste wegguckten, warf er die Hochzeitsgeschenke aus dem Fenster und goß den Schnaps in den Ausguß – ermuntert von Arnt Bjørkvig, der gar nicht begeistert war von all den Schnapskisten, die Askild für diese Gelegenheit eingekauft hatte. Ja, es gelang ihm sogar, den Hochzeitskuchen umzuschmeißen und den Brautschleier zu zerreißen, als Ida ihn hochhob, um ihn auf seine schiefe Nase zu küssen. »Laß das!« heulte Knut zum Vergnügen aller und riß ein Stück aus dem Schleier. »Laß das!« heulte er wieder, als Appelkopp ihn einfing und zurück zu Ida trug, damit er seine wohlverdiente Strafe bekommen konnte: drei Extraküsse von der Braut. Sogar bei seiner Hochzeit hatte Appelkopp ein Bündel Gummibänder über den Ärmel gestreift und eine kleine Metallnadel mit dem Slogan Bjørkvigs Gummiband, einzigartig hierzuland an die Brusttasche geheftet. Ständig verbeugte er sich vor seinem Schwiegervater und versuchte mehrfach, den Gästen Gummibänder zu verkaufen, die sich aber lediglich über den Bräutigam lustig machten und Witze rissen über die Parallelen zwischen der Gummibandbranche und der übrigen Gummiproduktion (ungefähr so: Es wäre besser gewesen, Appelkopp hätte sich mit Gummis befaßt, bevor er als Sechzehnjähriger die Braut schwängerte).
    Gegen Abend waren sämtliche Getränke ausgetrunken, und Segelohr wurde in den Fröhlichen Zirkuswagen geschickt, um Nachschub zu holen. Da Askild kein Bargeld mehr hatte – und Bjørkvig sich weigerte, auch nur mit einer Krone zum Schnaps beizutragen –, mußte er erst mit der Sammelbüchse herumgehen, und in seinen Taschen klimperte und tanzte es, als er an diesem frühen Abend quer durch das Rhabarberviertel spurtete. Seit der Episode mit Vater Niels im Schuppen hatte er keine größeren Probleme mehr mit den Rhabarberburschen gehabt, und so lief er völlig ungestört durch die Siedlung und erhielt die sieben Flaschen Schnaps, für die das Geld im Fröhlichen Zirkuswagen reichte. Auf dem Heimweg – nun vorsichtig die Mauern entlangschleichend, da er mit den sieben Flaschen unmöglich rennen konnte – hörte er hinter einem Bretterzaun lautes Geheul. Zunächst wollte er weitergehen, aber als er Lindas Stimme erkannte, entschloß er sich nachzusehen. Er schlich zu einer Stelle, an der einige Bretter fehlten, und schaute auf einen Bauplatz, auf dem Linda mit zwei Jungen kämpfte. Sie hatten sie auf alle viere gezwungen; der eine hielt

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