Hundsköpfe - Roman
der Braut, ihre Brüste berührten sein Gesicht, das rote Haar kitzelte in seiner Nase, doch zumindest schien niemand seine plötzliche Erektion zu bemerken. Appelkopp summte laut vor sich hin, augenscheinlich zufrieden mit der Präsentation seiner Kraft, und oben im zweiten Stock schloß er mit einer Hand die Tür auf, marschierte ins Zimmer und warf seine Last aufs Bett.
»Einen Kuß von der Braut«, sagte er feixend zu seinem Vetter, der hilflos ins Bett gefallen war, »und dann heißt es: raus hier.«
Wieder stellte Segelohr fest, daß man sich offenbar in die Unterlippe zu beißen hatte, wenn man sich küßte; haps, machte es, dann saßen ihre Zähne in seiner Lippe, und sie fing an zu kichern. »Was für wunderhübsche Ohren«, sagte sie und biß ebenfalls hinein, worauf Appelkopp seinen verwirrten Vetter aus der Tür bugsierte.
Auf der Treppe hörte Segelohr, wie der Nachtportier die Hoteltür abschloß, und plötzlich begriff er, daß der Portier ganz offensichtlich glaubte, er gehöre mit zum Gepäck – Vielleicht hat er mich gar nicht gesehen , dachte Segelohr und blieb fünf Minuten auf der Treppe stehen, bis er zurück zum Zimmer schlich und sich mit einem merkwürdigen Zittern im ganzen Körper vor das Schlüsselloch kniete. Und noch bevor er durch die langsam hell werdenden Straßen nach Hause ging, hatte er das Mysterium von Appelkopps Hochzeitsnacht gelöst und herausbekommen, was die Braut sagte, als sie den tätowierten Schwanz erblickte. Fasziniert starrte sie ihn an. Wog ihn in der Hand. Vorsichtig ließ sie einen Finger darübergleiten, bis sie die Schrift entziffert hatte: »Oh nein, du Esel«, hatte sie gesagt.
Am folgenden Tag hatte Segelohr einen Kater. Er lag den überwiegenden Teil des Tages im Bett und quälte sich selbst mit dem Gedanken an Lindas unglückliches Gesicht und seine dumme Frage, die ihm nun fürchterlich peinlich war. Durch ein Schlüsselloch im Missionshotel hatte er die Liebe zweier erwachsener Menschen beobachtet, und nun verstand er, daß er das Opfer eines kindlichen Mißverständnisses geworden war; die arme Linda , dachte er, während Anne Katrine im Haus herumlief und »Papa« sagte und sein kleiner Bruder Knut Sachen aus dem Fenster warf und von Askild ausgeschimpft wurde.
Segelohr schloß die Augen und rutschte ganz unter die Decke. Zum ersten Mal fühlte er sich im Haus seiner Eltern wie ein Gefangener, und das Schamgefühl, das er empfunden hatte, als Askild vor dem Missionshotel anfing, dummes Zeug über deutsche Hunde zu erzählen, war ebenfalls neu. Zumindest hatte er die Scham bisher noch nie so deutlich empfunden, obwohl sie schon immer dagewesen war, denn es lag ja nicht nur am Rhabarberviertel, daß seine Freunde nicht zu ihm nach Hause kamen. Auch wegen Askilds unvorhersehbarer Launen, wegen der Angst, daß die Kameraden den Vater in seiner übelsten Stimmung erlebten, zog er es vor, sich mit ihnen an anderen Orten zu treffen.
Montag morgen mußte er dringend mit Thorbjørn sprechen. Es war ein für ihn peinliches Wochenende gewesen, aber dennoch reich an Ereignissen. Er rannte zur Weißen Schule. Leider begann Oberlehrer Kramer sofort mit dem Unterricht, und Segelohr mußte die außergewöhnliche Neuigkeit deshalb auf ein Stück Papier schreiben.
Linda hat mich im Mund gehabt , stand auf dem ersten Zettel, den Segelohr an Thorbjørn schickte.
Am Wochenende habe ich Schnaps getrunken , stand auf dem zweiten Zettel.
Ich habe gesehen, wie mein Vetter mit der Tochter des Abstinenzlers im Missionshotel gefickt hat , stand auf dem dritten.
Thorbjørn schüttelte ungläubig den Kopf.
Du lügst , stand auf einem Zettel, den Thorbjørn ihm zusammengeknüllt in den Nacken warf.
Nix da , schrieb Segelohr zurück.
Kam’s dir in ihrem Mund? kritzelte Thorbjørn hastig, obwohl es noch niemandem von ihnen gekommen war, doch diese Frage sollte Segelohr niemals zu lesen bekommen – zack, machte es, und plötzlich stand der Oberlehrer da und wedelte wütend mit dem Zettel.
»Aha, man schreibt sich Zettel!« stieß Kramer aus und starrte wutentbrannt auf Thorbjørn, dessen Nerven unter dem linken Auge bedrohlich zu zucken begannen. »Meine Herren«, fuhr Kramer triumphierend fort und schaute über die Klasse, »meine Herren, glaubt es oder glaubt es nicht, aber unser aller Spinnenbein sitzt da und schreibt !«
»Haha«, ertönte es, »wirklich witzig.«
»Ich wußte nicht einmal, daß er schreiben kann .«
»Haha, Herr Lehrer.«
»Wollen mal sehen«,
Weitere Kostenlose Bücher