Hundsköpfe - Roman
das Mädchen ein Ruck. »Perverses Schwein!« schrie sie und schubste Segelohr weg, daß er vor ihr auf den Rücken fiel. »Mann, was bist du denn für ein Typ!« jammerte sie und guckte ihn böse an. »Hau bloß ab!« fügte sie noch hinzu und fing plötzlich an zu weinen.
»Was ist denn los«, fragte Segelohr, obwohl er lieber weggelaufen wäre, »tut es dir leid?«
»Das ist doch vollkommen egal. Nimm deine Pulle und hau ab!« heulte sie und warf mit der Flasche nach ihm – mit Müh und Not gelang es, sie aufzufangen.
»Du kannst sie trotzdem gern haben«, stammelte Segelohr.
»Ihr seid doch alle gleich! Pfui, zum Teufel!« zeterte Linda, und Segelohr zog sich – auf diese Weise mitten in seiner ersten Erfahrung mit dem anderen Geschlecht unterbrochen– mit fünfeinhalb Flaschen Schnaps aus dem Gebüsch zurück, während er gleichzeitig versuchte, den Reißverschluß seines Hosenstalls hochzuziehen.
Auf der Hochzeitsfeier bemerkte niemand der Gäste, daß Segelohr sich am Schnaps vergriffen hatte, bis er dem Bräutigam über die Schuhe kotzte. »Ist ihm übel?« war Bjørks besorgte Stimme zu hören. »Igitt!« schrie Appelkopp. »Bist du besoffen?« fragte Askild und schüttelte ihn, doch Segelohr fühlte sich bereits in mehrerer Hinsicht in eine andere Welt versetzt. »Oh Gott!« hörte er seine Mutter jammern. »Er ist betrunken«, und tief in seinen Gehörgängen flüsterte Raffzahns heisere Stimme: Kopf hoch, ist doch scheißegal; das Mädchen war doch nur eine Hure, eine lächerliche kleine Gans … »Laß mich in Ruhe!« brüllte Segelohr Raffzahn an. »Hau endlich ab!« Natürlich glaubten die Eltern, er würde mit ihnen sprechen. »Jetzt ist er wahnsinnig geworden«, konstatierte Askild und hob seinen Sohn hoch, um ihn zum Sofa zu tragen. Aber noch bevor sie dort ankamen, erbrach sich Segelohr über Askild, der den Rest des Abends im Unterhemd weiterfeiern mußte, und kurz darauf befand sich Segelohr tatsächlich in einer anderen Welt … er schnarchte lautstark und wachte erst auf, als die Gäste aufbrachen.
Raffzahn war verschwunden, und Segelohr fühlte sich einigermaßen erholt. Mit einem verschmitzten Lächeln bewegte er sich unter den Gästen, obwohl er Lindas unglücklichen Gesichtsausdruck nicht vergessen konnte. Das Brautpaar war gerade dabei, die Gesellschaft zu verlassen – Anlaß für eine hitzige Diskussion vor der Tür, wo zwei große, mit Zweigen und Luftschlangen geschmückte Schubkarren standen. Es war Askilds Idee, daß Arnt Bjørkvig und er das Brautpaar mit den beiden Schubkarren hinunter ins Missionshotel bringen sollten, wo ein Zimmer für die Nacht wartete. Bjørkvig hatte allerdings gar keine Lust, mitten in der Nacht zusammen mit einem der berüchtigtsten Alkoholiker der Stadt gesehen zu werden. Er wollte sie lieber mit dem Auto fahren.
»Kommt nicht in Frage!« brüllte Askild, und beinahe wäre es zu einer Verstimmung unter den Gästen gekommen, wenn Segelohr nicht vorgeschlagen hätte, eine der Schubkarren zu übernehmen. Bjørkvig lächelte erleichtert, und auf dem Weg durch die nachtdunklen Straßen Bergens erzählte Appelkopp vom Sternenhimmel über der Südsee und den Nächten, in denen er von den verhexten Wäldern geträumt hatte. Die Braut kicherte lauthals, und Segelohr fand, daß es richtig gemütlich war, gemeinsam mit seinem Vater das Brautpaar zu schieben, doch kurz vor dem Missionshotel begann Askild, heulende Bluthunde zu hören. Die Straßenschilder sahen aus wie Deutsche mit einem Gewehr, und ganz Bergen schien plötzlich verwandelt. »Wer da!« murmelte Großvater und starrte nervös in die verdunkelten Straßen.
Segelohr wußte, wohin es führte, wenn Askild derartigen Unfug redete, und er schlug seinem Vater vor, direkt nach Hause zu gehen, während er dem Brautpaar mit ihrem Gepäck nach oben half. Also verschwand Askild mit seiner Schubkarre und seinem Stock im Dunkel der Nacht. »Bleibt mir vom Leib«, murmelte er, »verdammte Köter.«
Als Großvater fort war, schüttelte Segelohr entschuldigend den Kopf und wollte das Gepäck nehmen, aber Appelkopp stellte sich ihm sofort in den Weg. »Unter gar keinen Umständen!« sagte er und griff sich zuerst Segelohr, dann das Gepäck und zuletzt seine Braut. Mit seiner Braut, seinem Vetter und dem Gepäck im Arm richtete er sich auf und wackelte zur Rezeption, wo ein schlaftrunkener Nachtportier ihm den Schlüssel aushändigte. Die Treppe hinauf schien es Segelohr, als läge er bedrohlich nahe bei
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