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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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fuhr Kramer fort und faltete den Zettel auseinander. »Gut, spitzt die Ohren, ihr Paviane, unser Knochenmehlkandidat, der dürre Lulatsch, der sich Thorbjørn nennt, hat diese hochintelligenten Worte geschrieben …«
    Stille, zurückgehaltenes Kichern, Thorbjørns Nerv, der ihn seit der unglückseligen Sache im Rhabarberviertel quälte, geriet vollkommen außer Kontrolle, als Kramer begann: » KAM’S DIR IN IH  …« war alles, was der Oberlehrer laut zu lesen vermochte. Stocksteif stand er da, und eine unheilverkündende rote Farbe verfärbte seinen Hals und verteilte sich über seine Glatze.
    »Lesen Sie weiter, Herr Lehrer, was schreibt er noch?« rief jemand in der Klasse.
    »Wieso hören Sie auf, Herr Kramer?«
    »Entschuldigung, aber Sie haben einen ganz roten Kopf.«
    »Herr Knochenmehlkandidat«, zischte Kramer zwei Minuten später, nun sicher hinter dem Katheder verschanzt. »Unser aller gemeinsamer, ach so intelligenter nasenbohrender Lulatsch«, fügte er hinzu, während er das blaue Auge zukniff und Thorbjørn mit dem braunen anstarrte, »darf ich darum bitten, sich an die Kugel zu bemühen.«
    Während die meisten Jungen der Klasse zum Teil schon mehrfach ihre Erfahrungen mit elektrisierten Lippen gemacht hatten, war es Thorbjørn immer gelungen, diesem Erlebnis zu entgehen.
    Nun aber stand er auf und warf einen letzten Blick auf Segelohr, der mit seinem nächsten Zettel unter dem Tisch herumfummelte – Ich glaube, ich habe an diesem Wochenende etwas sehr Wichtiges gelernt , stand darauf, doch Thorbjørn hatte keine Gelegenheit mehr, ihn zu lesen. Statt dessen schniefte er lautstark, als er seine Schuhe und Strümpfe auszog und auf die Metallplatte trat, um an der Gummihandkurbel zu drehen.
    »Durch mein unflätiges Wesen habe ich den Unterricht gestört«, leierte Kramer, während Thorbjørns Lippen so heftig zitterten, daß er die Worte des Oberlehrers nicht wiederholen konnte. Er kurbelte und kurbelte nur.
    »Ich ende in einer Knochenmehlfabrik – wenn sie mich dort überhaupt brauchen können«, fuhr Kramer fort, aber Thorbjørn sagte noch immer kein Wort, und langsam begann sich im Klassenraum Unruhe zu verbreiten.
    »Herr Lehrer, er hat in die Hose gepinkelt«, war aus der Klasse zu vernehmen, während Thorbjørn weiterkurbelte.
    Tatsächlich breitete sich ein großer nasser Fleck von Thorbjørns Hosenschlitz über seine Oberschenkel aus. Segelohr registrierte, wie der kleine Urinsee um die Füße seines Freundes größer wurde.
    »Entschuldigen Sie, Herr Lehrer«, kam es von Niller mit den Sommersprossen.
    »Haben Sie daran gedacht, daß …«, hieß es, aber der Oberlehrer schlug nur fest mit seinem Schlüssel auf den Tisch, forderte die Klasse auf, ruhig zu sein, und spitzte dann die Lippen zu dem gefürchteten Satz.
    »Küß die Kugel, du Pavian«, flüsterte er, und in seinen nassen Hosen zitternd, kurz davor, vor Angst ohnmächtig zu werden, hörte Thorbjørn endlich auf zu kurbeln, atmete tief ein, beugte sich hinunter …
    … und starb in dem Moment, in dem seine Lippen die Elektrisiermaschine berührten , stand am nächsten Tag in den Bergener Zeitungen. Die Vernehmung der übrigen Schüler der Klasse hat ergeben, daß der Oberlehrer offenbar die Elektrisiermaschine seit vielen Jahren zum Zwecke der Bestrafung anwendete.
    Lassen Sie uns die Dinge trennen, lassen Sie uns nicht in Hysterie verfallen , hieß es in einem vieldiskutierten Leitartikel. Seine Schüler zu züchtigen, ist kein Verbrechen, eine Elektrisiermaschine ein wenig kreativ einzusetzen, ist auch noch nicht notwendigerweise ein Verbrechen – denn wer konnte wissen, daß der Junge einen nicht bekannten Herzfehler hatte? Aber eine Metallplatte unvorschriftsmäßig im Boden zu installieren und verantwortungslos zu übersehen, daß der Schüler in einem See von Urin steht, das heißt, seine Verantwortung zu vernachlässigen, daher ist es sehr befriedigend, feststellen zu können, daß der Oberlehrer mit augenblicklicher Wirkung suspendiert worden ist.
    Der Verlauf des Falles , stand dort außerdem, zeigt nicht, wie gewisse Erzeugnisse der Sensationspresse behaupten, daß unser Schulsystem barbarisch ist, nein, ganz im Gegenteil, es beweist, daß unser Schulsystem noch immer perfekt funktioniert.
    »So ein Schwein«, sagte Askild nur, denn er hatte nicht die Angewohnheit, die Dinge zu trennen, »ich kenne diese Typen.«

Der Weg aus dem Schrank
    N ach Thorbjørns Tod begann sich die Wirklichkeit in Gestalt von

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